Winfried Keller im Kreis Konstanz züchtet und verkauft in diesem Jahr 61 verschiedene Sorten Tomaten. Essen tut er sie nicht.
Die durchschnittliche Tomate ist tiefrot, meist rund und glatt. Verbraucher werden selbst in gut sortierten Supermärkten mit dem optisch genormten Gemüse abgespeist. Brave Kunden haben sich daran gewöhnt, dass Tomaten so standardisiert aussehen. Einige pfiffige Erzeuger sehen das anders. Sie schöpfen aus dem genetisch vielfältigen Vorrat der Natur. Sie kultivieren Tomaten, die weder rot noch glatt noch rund sind. Familie Keller auf dem Bodanrück gehört dazu. In dieser Saison baut sie 61 verschiedene Arten von Tomaten an. Sie sind groß oder ganz klein, von giftgrün bis dunkelviolett.
Winfried und Margarita Keller führen den Besucher gerne durch die dämpfigen Gewächshäuser bei Liggeringen (Kreis Konstanz). Denn damit fing alles an: Erst mit dem Bau dieser zeltartigen Bauten vor 15 Jahren begann die Geschichte des explodierenden Tomatenanbaus hier.
Früchte in den Farben des Regenbogens
Die Argumente der beiden ergänzten sich: Für sie ist die Tomate ein besonders feines Nahrungsmittel. Bei ihm überwog dagegen ein wirtschaftlicher Gedanke: Nur mit der Verschiedenheit eines Produkts kann sich ein Betrieb von den Mitbewerbern abheben. „Als Selbstvermarkter musst du Nischen suchen und finden.“ Mit den etwa 800 Kilogramm Tomaten, die sie pro Woche ernten, haben sie es geschafft. „Wir heben uns von der Masse ab“, sagt er. In den Farben des Regenbogens glänzen die Früchte, wenn die beiden von Liggeringen aus auf den Markt fahren und ihre Ware ausbreiten.
Dreimal in der Woche beschickt der Betrieb den Markt am Stephansplatz. Die längste Schlange bildet sich stets vor dem appetitlich angeordneten Gemüse von Winfried Keller. Warum das so ist, kann er sich nicht erklären. Freilich, er ist ein kaum zu übersehendes Mannsbild, ein badischer Kleiderschrank mit strahlenden blauen Augen und flinker Zunge. Er nennt zwei Gründe für das florierende Geschäft: Einmal die Vielfalt seiner Tomaten, die neugierig macht, und zum Zweiten, so sagt er, benötigt ein guter Verkäufer Menschenkenntnis. Die hat der 55-Jährige über die Jahre erworben. Er ist mit einer Schlagfertigkeit gesegnet, die schon manchen Städter verstummen ließ. Und als Ortschaftsrat kann er manche dörfliche Anekdote einflechten.
Der Tomatenzüchter isst lieber Käse
Der Apfel fällt nicht weit vom Baum. Die beiden sind mit Gemüsebau aufgewachsen, haben den Beruf von der Graswurzel gelernt. Sein Großvater schob bereits einen Leiterwagen mit Grünzeug nach Konstanz. Und sein Vater bot den Städtern Kirschen an, da hatte er bereits ein Gogomobil für den Transport.
Doch dann ein Geständnis: Während seine Frau liebend gerne dieses Fruchtgemüse verspeist, ist ihr Mann Winfried in diesem Punkt enthaltsam. Sein Bekenntnis: „Ich esse keine einzige Tomate. Das hat mir noch nie geschmeckt.“ Ein überbackener Käse mit einem Stück frischem Brot zieht er in jedem Fall vor, ein Glas Wein lehnt er keinesfalls ab. Wenn die Kundschaft kiloweise von seinem bunten Gemüse kauft und ins Schwärmen kommt, dann schmunzelt er zufrieden. Diesmal erfolgt kein Kommentar von seiner Seite, da träumt er lieber von einem guten Landkäse, den er sich abends zubereiten wird.