Beim Genfer Autosalon stehen Autos mit Stromantrieb im Hintergrund. Stattdessen prägen Hiobsbotschaften das Bild.

Genf - In den vergangenen Jahren war das Elektroauto schwer in Mode auf den internationalen Automessen. Die Hersteller versuchten sich gegenseitig mit spektakulären Fahrzeugstudien zu übertreffen. Selbst Rolls-Royce rückte vor einem Jahr auf dem Genfer Autosalon den Prototypen eines wuchtigen Stromers ins Rampenlicht. In diesem Jahr zeigt sich ein ganz anderes Bild. Nicht, dass die alternativen Antriebe ganz verschwunden wären. Doch bei vielen Herstellern scheinen sie irgendwie an den Rand gerückt. Auch Rolls-Royce präsentiert sich dieses Jahr wie früher als Bühne der Spritschlucker. Im Mittelpunkt steht das Modell Phantom, eine silberne Protzkiste. „Auffallen um jeden Preis!“, kommentiert ein Schweizer abfällig die neueste Kreation der BMW-Tochter. Ein Schild mit den technischen Daten verrät, wie durstig der Zwölfzylinder ist: die 460 PS schlucken im Stadtverkehr stolze 22,8 Liter je hundert Kilometer. Der CO2-Ausstoß wird mit 347 Gramm je Kilometer angegeben.

 

Die Welle der Begeisterung für den Elektroantrieb hat in jüngster Zeit auch eine ganze Reihe von Hiobsbotschaften gebremst. „Auto, Motor und Sport“ veröffentlichte die Ergebnisse des gemeinsam mit dem Tüv Süd durchgeführten Vergleichstests für Elektroautos, die „Grund zum Frösteln geben“. Denn: im Winter sei die Batterieleistung und damit die Reichweite bei manchem Elektroauto um bis zu 47 Prozent geringer als bei warmem Wetter. Zudem wurde der amerikanische Elektroautopionier Tesla durch einen Blogger aufgeschreckt, der die Internetszene mit der Behauptung verunsicherte, er kenne mehrere Fälle, in denen die teure Antriebstechnik des Roadsters ruiniert worden sei, weil die Besitzer die Wagen in der Garage zu lange von der lebenserhaltenden Steckdose ferngehalten hätten. Zusätzlich machte General Motors kurz vor dem Genfer Autosalon mit der Negativmeldung Schlagzeilen, dass die Produktion des Chevrolet Volt und des baugleichen Opel Ampera in Detroit mangels Nachfrage für fünf Wochen unterbrochen werden müsse.

Zweifel zerstreuen

Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke versuchte Zweifel an der Zukunft des Ampera in Genf nach Kräften zu zerstreuen. „Der Hype um die Elektromobilität ist vielleicht nicht mehr so akut“, räumte Stracke ein, der Ampera biete jedoch mit der Kombination aus einem Elektromotor und einem Verbrennungsmotor als sogenanntem Range Extender eine größere Reichweite und die Sicherheit, nicht liegen zu bleiben. Die Auslieferungen des Ampera haben Mitte Januar erst begonnen. Bis jetzt gibt es 7000 Bestellungen. Bis Jahresende will Opel 10 000 Wagen ausliefern. Zusätzlichen Schub soll die Verleihung des Preises „Car of the year“ durch eine Jury europäischer Fachjournalisten in Genf bringen.

Nicht nur Opel-Chef Stracke verteidigt die alternativen Antriebe. Die deutschen Autobauer seien weiterhin davon überzeugt, dass die Elektromobilität gerade in Großstädten die Mobilitätsfragen der Zukunft lösen werde, versichert Matthias Wissmann, der Präsident des Verbands der Autoindustrie. Für die Forschung und Entwicklung alternativer Antriebe investiere die Branche allein in den nächsten drei Jahren zehn bis zwölf Milliarden Euro. Das entspreche 40 Prozent der Investitionen in die gesamte Antriebstechnik. „Wir gehen damit enorm in Vorleistung“, so Wissmann, „denn der Umsatzanteil von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben wird auch mittelfristig bei lediglich fünf Prozent liegen.“ Derzeit fahren nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts von den knapp 43 Millionen Personenwagen in Deutschland nur 47 642 mit Hybridantrieb, also einer Kombination aus Verbrennungs- und Elektromotor und 4541 mit Strom.

Den Kurs fortsetzen

Auch BMW-Chef Norbert Reithofer und Daimler-Chef Dieter Zetsche betonen, dass sie den eingeschlagenen Kurs bei den alternativen Antrieben fortsetzen wollen. Anders sei das in der EU geplante Limit für 2020 von 95 Gramm CO2 je Kilometer nicht zu schaffen, meint Reithofer. Daimler sei an vorderster Front dabei und investiere erheblich in alternative Antriebe, sagt Zetsche und verweist auf den neuen Elektro-Smart, der im Juni auf den Markt kommt. Zudem startet demnächst der Mercedes-Benz E 300 mit Hybridantrieb. BMW kontert mit dem 5er und auch einer Variante seiner absatzstärksten Baureihe, des neuen 3ers, mit Hybridantrieb.

Murat Günak glaubt fest an den Erfolg des Elektroautos. Der jungenhaft wirkende 53-Jährige im grauen Anzug war einst der Shootingstar der Autobranche. Er war erfolgreicher Designer bei Peugeot und Daimler, war Chefdesigner bei VW, bevor er Knall auf Fall ausstieg, weil er etwas auf die Beine stellen wollte, „das dem Planeten ein kleines bisschen hilft“, wie er einmal sagte. Heute baut Günak den Elektroautohersteller Mia auf. Bisher hat das Unternehmen 1000 Wagen in Frankreich und Deutschland verkauft. Die Käufer sind vor allem Kommunen, die Wert auf ein grünes Image legen, es gebe aber mehr und mehr Anfragen von Privatleuten, so Günak.

Der Aussteiger glaubt seinen ehemaligen Kollegen aus der PS-Branche nicht, dass sie dem Elektroauto wirklich zum Durchbruch verhelfen wollen. „Es ist leicht, eine Studie auf die Räder zu stellen, aber ein wirklich bezahlbares funktionierendes Auto – das ist eine andere Nummer“, meint Günak. Ein Schnäppchen ist indes auch Mia nicht. Ein Dreisitzer mit Schiebetüren kostet einschließlich Mehrwertsteuer mindestens 24 500 Euro. In Genf feiert in diesem Jahr die Luxusvariante Mia Paris Premiere. Wer sich dieses kompakte Gefährt mit Lederausstattung, getönten Scheiben, schicken Aluminiumfelgen und Multimediapaket zulegen will und zudem eine kräftigere Batterie mit einer Reichweite von 125 Kilometern wünscht, muss schon 39 400 Euro anlegen.