Der Automobilkonzern Daimler will neue Käuferschichten locken: Die neue A-Klasse ist deutliche niedriger und sportlicher als das Vorgängermodell.

Genf - Schnelle Technomusik hämmert, blau-weiße Lichtmuster zucken über die Wand, Tänzer in hautengen weißen Anzügen wirbeln über die Bühne. Dann hat Daimler-Chef Dieter Zetsche seinen Auftritt in der Genfer Veranstaltungshalle Espace Hippomène. Es gehe um einen „Big Bang“, Daimler habe „Big News“, große Neuigkeiten, zu verkünden, sagt der Schnauzbartträger. Gefeiert wird die Weltpremiere der neuen A-Klasse, die eine Schlüsselrolle bei den ehrgeizigen Wachstumsplänen des Stuttgarter Autobauers spielen soll. Im September kommt sie in Europa zu den Händlern.

 

Zetsche vergleicht die Bedeutung der neuen A-Klasse mit der Einführung des Mercedes-Benz 190 im Jahr 1982. Die A-Klasse spiele die gleiche Rolle wie der damalige „Baby-Benz“, meint der Daimler-Chef: Sie soll die Marke verjüngen, Mercedes-Benz soll damit neue Käufer gewinnen. Das „A“ der A-Klasse stehe für „Angriff“, sagt Zetsche kämpferisch. Mit diesem Auto will er den Wettbewerbern Kunden abjagen. Zudem will Daimler sich ein gutes Stück vom wachsenden Weltmarkt abschneiden. Der Weltmarkt der Kompaktklasse, die nach dem deutschen Marktführer auch Golf-Klasse genannt wird, soll in den nächsten zehn Jahren um mehr als vier Millionen Fahrzeuge wachsen. Mehr als 50 Prozent der Käufer sollen neue Kunden sein. Dabei will der Autobauer auch mit sparsamen Motoren, Sicherheitstechnik, die bisher nur bei größeren Autos bekannt war, und der Verknüpfung mit dem Internet punkten. Die A-Klasse sei ein Smartphone auf Rädern, schwärmt Zetsche.

Neidisch verfolgten die Stuttgarter den Erfolg von BMW

Das „A“ könnte man auch als „Antwort“ auf den Einser von BMW interpretieren. Neidisch verfolgten die Stuttgarter, wie die Bayern mit dem sportlichen Einser junge Kunden für die weiß-blaue Marke gewannen, während die A-Klasse von Mercedes-Benz ebenso wie die später in diesem Segment hinzugekommene B-Klasse mit ihrer hohen Position eher Favorit der reiferen Jahrgänge war.

Die neue A-Klasse ist deutlich niedriger und sportlicher als das Vorgängermodell. „Die neue A-Klasse klebt auf der Straße wie Kaugummi, kein Elch wird sich Sorgen machen müssen“, versichert Zetsche. Der Daimler-Chef spielt damit auf jenen schiefgegangenen Schleuderversuch eines schwedischen Autotesters an, der beim Einstieg des Autobauers 1997 in das Kompaktsegment Aufregung verursacht und eine aufwendige technische Nachrüstung mit dem elektronischen Schleuderschutz ESP und einem strafferen Fahrwerk nach sich gezogen hat.

Der B- folgt die A-Klasse

Die neue A-Klasse ist der zweite Schritt der Modelloffensive des Stuttgarter Autobauers im Kompaktsegment, nachdem im November die neue B-Klasse auf den Markt gekommen ist. Die B-Klasse hat weiterhin eine hohe Sitzposition, die einen Einbau von Batterien oder Wasserstofftanks für alternative Antriebe im Boden des Wagens ermöglicht. Unter anderem ist eine Variante mit Elektroantrieb und kleinem Verbrennungsmotor als sogenanntem Range Extender geplant, der die Reichweite auf bis zu 600 Kilometer vergrößert. Von der A-Klasse sollen in den nächsten Jahren schrittweise insgesamt drei weitere Varianten auf den Markt kommen, unter anderem ein kleiner Geländewagen und ein viertüriges Coupé.

Daimler-Chef Zetsche zeigt sich sehr zufrieden mit der ersten Resonanz auf die neue B-Klasse. Bisher wurden 25 000 Autos ausgeliefert, rund 100 000 wurden bestellt, mehr als geplant. Gut 30 Prozent der Kunden konnten neu für die Marke mit dem Stern gewonnen werden. „Das ist ein großartiger Start, und wir sind hungrig nach mehr“, sagt Zetsche. Dieser Ansturm auf die B-Klasse führt indes zu Lieferschwierigkeiten, obwohl das Werk Rastatt, wo die Kompaktklasse produziert wird, sehr flexible Fertigungszeiten hat. Doch beim Anlauf eines neuen Modells kann die Produktion nicht allzu rasch hochgefahren werden, weil es erfahrungsgemäß immer noch hier und da hakt und die arbeitsteilige Fertigung noch nicht eingespielt ist. Zudem läuft die Produktion der B-Klasse im neuen Werk im ungarischen Kecskemét erst im April richtig an, berichtet Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt, der den vorübergehenden Engpass nicht als großes Problem sieht. Man prüfe derzeit, wie einige Tausend Fahrzeuge mehr produziert werden könnten.

Mercedes liegt beim Absatz der Premiumhersteller auf Platz 3

Die neue Mercedes-Benz-Kompaktklasse soll auf dem Weg zum absatzstärksten Premiumhersteller der Welt künftig den größten Schub bringen. Bis jetzt liegt Mercedes-Benz in der Absatzrangliste der deutschen Premiumhersteller hinter BMW und Audi auf Platz drei. Weil deutlich höhere Stückzahlen als bei den Vorgängern angepeilt werden und das zusätzliche Werk im kostengünstigen Ungarn eine Mischkalkulation ermöglicht, werde Daimler mit der neuen Kompaktklasse „deutlich mehr Geld verdienen“, wie Zetsche versichert. Anders als der Vorgänger soll die neue A-Klasse auch auf dem US-Markt verkauft werden. Beim Vorgänger scheiterte dies an zu hohen Produktionskosten und an einer ungünstigen Entwicklung des Wechselkurses. Drei der Modelle sollen von 2013 zudem in China vom Band laufen. Auch eine Montage in Brasilien, Russland und Indien werde geprüft, sagt Vertriebschef Schmidt.

BMW-Chef Norbert Reithofer sieht die Attacke des Konkurrenten gelassen. Eigentlich will er nichts zum Thema sagen. „Ich denke nicht täglich über Angriff und Verteidigung nach“, meint er ausweichend, um dann hinzuzufügen: „Wettbewerb belebt das Geschäft.“ Der harte Wettbewerb von BMW, Mercedes-Benz und Audi habe dazu geführt, dass die deutschen Nobelmarken eine so starke Position auf dem Weltmarkt haben. Nach den Berechnungen des Branchenverbands VDA kommen die deutschen Marken bei den Premiumfahrzeugen weltweit auf einen Marktanteil von 80 Prozent.