Ein 35-Jähriger wird vom Amtsgericht Esslingen wegen sexueller Nötigung zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Wellness-Masseur im Wernauer Quadrium eine Kundin drei Mal unsittlich berührt hat.

Esslingen - Wer eine Massage in einem Hamam bucht, erwartet sich davon gemeinhin Erholung und Entspannung. Eine heute 50-Jährige musste am 5. November 2018 eine völlig andere, für sie sehr belastende Erfahrung machen. Sie wurde im Wellnessbereich des Wernauer Quadriums von dem damals zuständigen Mitarbeiter bei der Schaummassage dreimal unsittlich in ihrem Scham- und Analbereich berührt. Der 35-Jährige wurde am Donnerstag vom Amtsgericht Esslingen deshalb wegen sexueller Nötigung der Frau zu einer neunmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Zudem muss er 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

 

Der 50-Jährigen ist noch heute anzumerken, wie schwer sie der Übergriff des Mannes, der sich Wellnessmasseur – eine nicht geschützte Berufsbezeichnung – nennt, mitgenommen hat. Zehn Jahre lang hatte die Stammkundin die Massage im Quadrium regelmäßig als wohltuend für Körper und Geist empfunden.

Opfer „konnte nicht gleich reagieren“

Doch an jenem Montag war es erstmals der ihr bis dahin unbekannte Masseur gewesen, der sie mit Schaum einseifte und damit auf die Ganzkörpermassage vorbereitete. Unangenehm seien ihr schon dessen persönliche Fragen gewesen. Zudem habe er sich mit seinem um die Hüfte gebundenen Handtuch gegen ihre Hände gedrängt. Beim Massieren habe er schließlich ihre Schamlippen gestreift, „da dachte ich beim ersten Mal noch, es sei ein Versehen gewesen“, erzählt sie im Zeugenstand. Er habe sie aber noch ein zweites Mal auf diese Weise berührt. Sie sei zu perplex gewesen, um aufzustehen und sich zur Wehr zu setzen. Nachdem sie sich auf den Bauch gedreht hatte, habe er ihr während der Einreibung an den Anus gefasst, worauf sie gerufen habe: „Halt, das nicht.“ Daraufhin habe er gelächelt und angemerkt, manche Frauen „wollen das“. „Ich nicht“, habe sie darauf erwidert.

Sie habe „einfach nicht gleich reagieren“ können, macht sich die Frau Vorwürfe. Doch am Tag nach der Tat rief sie den Leiter des Hamam an und beschwerte sich. Sie muss dabei ebenso glaubwürdig und durch das Geschehene belastet gewirkt haben wie vor Gericht, denn dieser entließ den Teilzeitmitarbeiter in Absprache mit der Wernauer Stadtverwaltung auf der Stelle. „Ich musste so reagieren“, sagt der 43-jährige Hamam-Pächter, der die 50-Jährige zuvor mehrfach massiert hatte. Seit 2004 sei er im Geschäft, nie zuvor habe es Beschwerden gegeben. Außerdem gebe es klare Regeln für die Massage. Und eine davon laute: „Der Intimbereich ist tabu, und bei Frauen zudem die Brüste.“ Und man achte darauf, dass der Schambereich mit Schaum bedeckt bleibe.

Bei der Beschwerde beließ es die Frau nicht. Sie vertraute sich einem befreundeten Kripobeamten an, der ihr riet, unbedingt Anzeige zu erstatten. Ihr sei es nach dem sexuellen Übergriff „nicht gut gegangen“. Sie habe schlecht geschlafen und – leider erfolglos – versucht, die Opferberatung des Weißen Rings zu kontaktieren. Bis heute sei sie nicht in der Lage, eine öffentliche Sauna oder ein Hamam zu besuchen. Ständig werfe sie sich vor, falsch reagiert zu haben, indem sie sich nicht sofort und vehement zur Wehr gesetzt habe.

Der 35-Jährige ist sich keiner Schuld bewusst. Rund 1000 solcher Massagen habe er beanstandungslos angewendet. Sein Mandant habe aufgrund des Schaums möglicherweise nicht genau gesehen, in welche Bereiche des Körpers der Kundin er vorgestoßen sei, mutmaßt der Verteidiger des Angeklagten. Eine Begründung, welche die Richterin Anne Harrschar in ihrer Urteilsbegründung als „schlichtweg absurd“ bezeichnet. Anderen Masseuren gelinge es schließlich auch, „nicht in den Intimbereich zu geraten“.

Vertrauen der Kundin ausgenutzt

Die Richterin hat „keinerlei Zweifel“, dass sich der Vorfall so zugetragen hat, wie er in der Anklage und vom Opfer beschrieben wurde. Dass sich Letzteres selbst Vorwürfe macht, falsch gehandelt zu haben, sei nicht ungewöhnlich, „aber der falsche Ansatz“. Der Angeklagte habe als Masseur das Vertrauen seiner Kundin ausgenutzt. „Das ist ein gewichtiger Fehlgriff in jeder Hinsicht.“ Von einem vom Staatsanwalt zudem gefordertes Berufsverbot sah die Richterin indes ab. Zwar habe man kein gutes Gefühl bei der Vorstellung, er massiere weiter. Doch halte sie den Übergriff für einen Ausnahmefall, da es zuvor nie Beschwerden über dessen jahrelange Arbeit gegeben habe.