Das Landgericht Stuttgart muss das Verfahren gegen vier mutmaßliche Rädelsführer der Autonomen Nationalisten neu aufrollen. Zwei von ihnen segeln inzwischen unter der Flagge der rechtsextremen Splitterpartei der Dritte Weg und hetzen weiter gegen Flüchtlinge und andere.

Göppingen - Der Spuk schien vorüber, jetzt sind sie wieder da: Zwei ehemalige Anführer der Autonomen Nationalisten Göppingen (ANGP) und einige Gleichgesinnte machen seit einiger Zeit im Namen der rechtsradikalen Splitterpartei der Dritte Weg Stimmung in der Stadt und der Umgebung gegen Ausländer und Flüchtlinge, gegen die Demokratie und den Rechtsstaat und natürlich gegen die Presse. Jetzt ist bekannt geworden, dass der langwierige Prozess, in dem das Landgericht Stuttgart die Männer wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu Haftstrafen verurteilt hatte, neu aufgerollt werden muss. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat das Urteil aufgehoben.

 

Eine Sprecherin des Landgerichts berichtete am Dienstag, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs schon am 31. Mai gefallen sei. Zurzeit will sich das Karlsruher Gericht nicht zu dem Fall und zur Urteilsbegründung äußern. Die Neonazis hingegen bejubeln den Erfolg ihrer Revision auf der Facebook-Seite von der Dritte Weg. Viele Göppinger befürchten nun, dass es erneut zu ähnlichen Zuständen kommen könnte wie 2012 und 2013, als die Neonazis die Stadt Göppingen immer wieder in Aufruhr versetzten. Schlagzeilenträchtig waren Demonstrationen, bei denen es zu Zusammenstößen mit Gegendemonstranten aus der Antifa-Szene gekommen war.

Die mutmaßlichen Rädelsführer wurden zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt

Er sei zunächst enttäuscht über das Urteil gewesen, räumte der Göppinger Oberbürgermeister Guido Till am Dienstag ein. Doch er sei zuversichtlich, dass der neue Prozess wieder mit einer Verurteilung für die Neonazis ende. „Welche Folgen das aktuelle Urteil für die weiteren rechtsextremen Aktivitäten in unserem Landkreis haben wird, ist momentan nicht abzusehen. Wir werden jedoch unsere konsequente Haltung beibehalten und jede Art von politischem Extremismus strikt ablehnen.“

Ähnlich äußerte sich der grüne Landtagsabgeordnete Alexander Maier, der sich lange Zeit als Vorsitzender von Kreis Göppingen nazifrei dafür engagiert hatte, den braunen Spuk zu beenden. „Wir stehen jetzt wieder am Anfang“, sagte Maier. Das sei natürlich ärgerlich. Aber das heiße längst nicht, dass die Neonazis nicht erneut verurteilt würden. „Die sind hier ja nicht in einem rechtsfreien Raum, und sie sind auch ganz sicher keine Justizopfer.“

Zwei der damals vier Angeklagten wurden im August vergangenen Jahres wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und Rädelsführerschaft zu zwei Jahren und zwei Monaten beziehungsweise zu zwei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Sie legten Revision ein und segeln inzwischen unter der Flagge von der Dritte Weg.

Das Landgericht befragte 120 Zeugen und wertete 160 Telefonmitschnitte aus

Zwei weitere Angeklagte kamen mit Bewährungsstrafen davon. Sie hatten keine Überprüfung ihrer Urteile angestrebt, damit war das Urteil gegen sie rechtskräftig. Sie sollen sich aus der Szene zurückgezogen haben. Trotzdem wird der Fall jetzt komplett neu vor einer Staatsschutzkammer des Landgerichts verhandelt. Einen Termin gibt es noch nicht.

Während der 45 Prozesstage befragte das Landgericht mehr als 120 Zeugen und wertete 160 abgehörte Telefonate aus. In der „Kameradschaft“, wie die Mitglieder die Gruppe nannten, herrschte laut dem Urteil eine strikte Rollenverteilung. Anders Gesinnte wurden systematisch eingeschüchtert und gezielt attackiert. Eine der Losungen habe dazu aufgerufen, „das Filstal zu nazifizieren und braun zu halten“.

Die Polizei hat die vier Männer im Februar vor zwei Jahren bei einer Razzia festgenommen. Dabei stellten die Ermittler Propagandamaterial wie Hakenkreuzfahnen, gerahmte Bilder von Adolf Hitler, Transparente, Aufkleber und Plakate mit Aufschriften wie „Die Demokraten bringen uns den Volkstod“ sicher. Zudem fanden die Polizisten Schlag- und Schusswaffen in den insgesamt 19 durchsuchten Wohnungen in den Landkreisen Esslingen, Göppingen und Rems-Murr.