Die langjährige Kreischefin tritt ab – wegen fehlenden Rückhalts in der Partei, sagen manche. Wegen der Vielzahl an Aufgaben, die ihr als Landtagsabgeordnete zuwüchsen, sagt die 53-Jährige.

Göppingen - Wie im Bund, so im Landkreis Göppingen: Die CDU befindet sich im Umbruch. Nach mehr als zwei Jahrzehnten bekommt der Göppinger Kreisverband an diesem Freitagabend aller Voraussicht nach eine neue Führung: Die Vorsitzende Nicole Razavi (53), die seit 13 Jahren für den Wahlkreis Geislingen im baden-württembergischen Landtag sitzt, gibt das Amt der Kreischefin ab, wie sie vor vier Wochen mitteilte. Als Nachfolger, das fügte sie zur Überraschung vieler Parteifreunde gleich hinzu, stehe ihr bisheriger Stellvertreter, der Geislinger Stadtverbandschef Kai Steffen Meier (33), zur Verfügung. Ob ihm auf dem Kreisparteitag Konkurrenz erwächst, war am Vorabend noch offen.

 

Manche im Landkreis vermuten, Razavis Rückzug hänge mit Spannungen im Kreisverband zusammen. Sowohl in der Debatte über den Beitritt zum Verkehrsverbund Stuttgart als auch bei der Frage, ob das auf Göppinger Gemarkung gelegene Heizkraftwerk des Kreises künftig mehr Müll verbrennen darf, war die Partei gespalten. Während die Göppinger Christdemokraten eine Erhöhung abgelehnt hätten, namentlich der Oberbürgermeister Guido Till und der Stadtrat und stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende Felix Gerber, habe die Gruppe aus dem oberen Filstal zugestimmt. Beim VVS-Beitritt zögerten Letztere, die Göppinger stimmten zu. Auch der Verlust des Wahlkreises Göppingen bei den Landtagswahlen 2016 – der Grüne Alexander Maier zog stattdessen nach Stuttgart – hat Nicole Razavi in den Augen mancher, nun, sagen wir, ein wenig beschädigt.

Risse in der Partei? Welche Risse?

Von Gräben innerhalb der Partei will Razavi nichts wissen. Sie begründet ihren Rückzug von der Kreisspitze nach 22 Jahren damit, dass sie einige ihrer doch sehr vielen Aufgaben abgeben müsse. Die mit dem Landtagsmandat verbundenen Pflichten vertragen sich offenbar auf Dauer nicht mit den stetig wachsenden Ansprüchen an die Göppinger Kreisvorsitzende. Zumal sie den Wahlkreis Göppingen sozusagen mitbetreuen muss: „Wir haben ja einen Abgeordneten weniger im Landkreis“, sagt sie. Und sie bekräftigt, dass sie auch über das Jahr 2021 hinaus im Landtag sitzen möchte. Das Ziel sei es daher, die Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen sowie neuen Ideen Raum zu geben.

Diese neuen Ideen erwartet die Partei von jüngeren Mitgliedern. Kai Steffen Meier steht für diese Verjüngung, ebenso wie die im vergangenen Jahr an die Spitze des Göppinger Stadtverbands gewählte Sarah Schweizer. Er strebe aber bei der Besetzung weiterer Ämter eine gute Mischung zwischen erfahrenen und jüngeren Mitgliedern an, sagt Meier.

Von einem Riss durch die Partei will er nichts wissen. Auch nichts davon, dass er innerhalb der Partei für das obere Filstal steht. „Ich war als Stellvertreter für den ganzen Kreis da“, sagt Kai Steffen Meier. Und er werde auch als Kreischef für den ganzen Kreis da sein. Ob ihm die Parteifreunde in Göppingen vertrauen, ist offen. Ebenso wie die Antwort auf die Frage, ob dem Geislinger Stadtverbandsvorsitzenden nicht doch Konkurrenz aus dem unteren Filstal erwächst. Sarah Schweizer geht nicht davon aus, dass sich noch jemand meldet. „Aber man weiß ja nie, es kann ja immer noch jemand aufstehen“, sagt sie.

Göppinger erhoffen sich mehr Gewicht in der Partei

Auch Schweizer begrüßt die Verjüngung der Partei, sie tue der Partei gut. „Wir hatten zu wenig frische Impulse.“ Zudem hoffe sie, dass Göppingen durch die Wahlen wieder mehr Gewicht im Kreisverband erhalte. „Wir waren zuletzt im Vorstand gar nicht mehr vertreten.“

Sarah Schweizer, die großen Respekt vor Razavis Entscheidung hat, wie sie sagt, erhofft sich vom Umbruch, für den dieser Kreisparteitag stehen soll, „frischen Schwung“. Er solle die Partei bei den Kommunalwahlen im Mai und den Landtags- und Bundestagswahlen 2021 stärken – ein Schwung, den sie angesichts der schlechten Umfragewerte für die Landes-CDU dringend braucht. „Herr Meier ist angesichts der Aufgaben, die ihn erwarten, nicht zu beneiden“, sagt Sarah Schweizer.