Die Regierung will die Mittel fürs Schienennetz massiv kürzen. Die Industrie sieht ein „verheerendes Signal“ – und die Güterbahnen wollen an diesem Mittwoch die Signalhörner erklingen lassen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Der Schienenverkehr ist nach bisherigem Stand von viel größeren Kürzungen der Bundesregierung betroffen als die wochenlang massiv protestierenden Bauern. An diesem Mittwoch wollen auch die Güterbahnen laut werden und bundesweit von 6 bis 22 Uhr bei der Durchfahrt in allen Personenbahnhöfen die Signalhörner erklingen lassen. Der Politik und den Bürgern solle damit gezeigt werden, wie viele Güterzüge täglich die Versorgung von Handel und Industrie sicherstellen, heißt es im Aufruf des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) zu den Protestaktionen.

 

Am 18. Januar wird die Bereinigungsvorlage zum Haushaltsentwurf 2024 im Bundestag beraten. Nach dem Finanzdebakel der Ampelkoalition beim Klima- und Transformationsfonds (KTF) verhängte Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine Ausgabensperre und muss Milliardenbeträge einsparen. Kürzungen sollen auch den Schienenverkehr und die bundeseigene Deutsche Bahn AG treffen.

„Es droht ein weiterer Tiefschlag für den Schienengüterverkehr“, kritisiert Peter Westenberger, Geschäftsführer des NEE. Die zu Jahresbeginn gestartete DB Infra-Go AG, die das bundeseigene Schienennetz verwaltet, habe ein besorgniserregendes Signal gesendet. Demnach sollen die Trassenpreise für den Schienengüterverkehr ab 2025 um 13,4 Prozent steigen. Das wäre „eine Steigerung in noch nie dagewesener Höhe“, kritisiert der Verband. Es drohten Ladungsverluste an den Lkw in großen Mengen.

Es droht eine Preissteigerung von 113 Prozent

Die Trassenpreise müssen Bahnunternehmen für jeden gefahrenen Kilometer auf dem Schienennetz an die DB-Infrastrukturgesellschaft bezahlen. Die Bundesregierung gibt bisher hohe Zuschüsse, will die Förderung aber reduzieren. Im Ergebnis drohe damit eine Preissteigerung von 113 Prozent, so das NEE. Ab Ende 2025 müsste ein Güterzug dann im Schnitt 2,60 Euro pro Kilometer bezahlen statt bisher 1,22 Euro.

Die zum 1. Januar gegründete Infra-Go lege „damit einen Fehlstart hin“, kritisiert Westenberger. Seit Jahren liefere der Staatskonzern als Betreiber der Schienenwege schlechte Qualität trotz hoher Kosten. Mit der gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft habe die Branche auf ein Umdenken gehofft. Stattdessen zeige sich, „dass sich die Wettbewerbsbedingungen für die Schiene im Vergleich zum Lkw schneller und stärker verschlechtern als je zuvor“.

Mittelfristig könne die Kostenspirale nur durch eine Reform des komplizierten Trassenpreissystems im Eisenbahnregulierungsgesetz (ERegG) gestoppt werden, betont das NEE. Die Bundesnetzagentur muss die höheren Trassenpreise genehmigen, an diesem Mittwoch findet dazu eine mündliche und öffentliche Verhandlung statt.

Die Kürzungspläne der Ampelkoalition stoßen – jenseits der Deutschen Bahn – in der gesamten Bahnbranche auf Kritik. Die Bundesregierung spare an der Zukunft der Schiene, warnt der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB). Konkret seien 3,2 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) bis 2027 für die digitale Fahrzeugumrüstung vorgesehen gewesen, die nun ersatzlos fehlten.

Sparmaßnahmen gefährden die Modernisierung der Schiene

Weitere 810 Millionen Euro für die Digitalisierung der Schiene und für Aus- und Neubau des Netzes sollen 2024 wegfallen, wie aus der Bereinigungsvorlage zum Haushaltsentwurf hervorgehe. Die Kürzungen seien für die heimische Bahnindustrie „ein verheerendes Signal“, kritisiert VDB-Geschäftsführer Axel Schuppe. Denn digitale Ausrüstung für Bahnstrecken und Fahrzeuge werde vor allem in Deutschland entwickelt und produziert.

„Die Modernisierung der Schiene droht den Sparmaßnahmen des Bundes zum Opfer zu fallen“, warnt VDB-Hauptgeschäftsführerin Sarah Stark. Die geplanten Kürzungen im Etat von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) seien mit den verkehrspolitischen Zielen der Regierung „absolut unvereinbar“.

Verkehrsminister Wissing hatte 2023 eingeräumt, dass bis 2027 rund 88 Milliarden Euro nötig sind, um die vernachlässigte Bahninfrastruktur zu modernisieren. Daher müssten 45 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Noch im September habe die Regierung Rekordinvestitionen und zusätzliche 39,5 Milliarden Euro für das marode Schienennetz angekündigt, so der VDB.

Geblieben davon seien nach aktuellem Stand nur noch 16 Milliarden Euro, wovon rund 13 Milliarden als Eigenkapitalerhöhung an die klamme DB fließen sollen. Die Mittel aus der Eigenkapitalerhöhung könnten aber weggefallene Bundeshaushalts- und KTF-Mittel nicht wirkungsgleich ersetzen, da zum Beispiel die Förderung der digitalen Fahrzeugumrüstung durch die Deutsche Bahn nicht zulässig wäre.

Bündnis sieht Netzsanierung gefährdet

Kritik
Die Allianz pro Schiene kritisiert, die geplanten Einsparungen beim Schienengüterverkehr, beim Ausbau der Bahnhöfe und zusätzlichen Fahrradstellplätzen widersprächen dem Koalitionsvertrag. „Wenn derart massiv gekürzt wird, kann die Bundesregierung ihr Versprechen nicht einlösen, bis 2030 den Marktanteil des Schienengüterverkehrs auf 25 Prozent zu steigern“, warnt Dirk Flege. Der Geschäftsführer des Bündnisses hofft, dass „die Haushälter des Bundestages hier substanziell nachbessern, sonst wird der Klimaschutz im Verkehr dramatisch ausgebremst“. Allein bei der Modernisierung von Bahnhöfen sollen 280 Millionen Euro wegfallen, kritisiert das Bündnis. Und das, obwohl der Bund jahrzehntelang die Stationen vernachlässigt habe. Mehr als 80 Prozent der Empfangsgebäude seien verkauft und beim Bund verbleibende Bahnhöfe häufig unzureichend modernisiert worden. Nötig sei eine Trendwende. Wenn jetzt bei der Schaffung von Barrierefreiheit und Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen gespart werde, falle der Bund „in alte Rollenmuster zurück und erschwert massiv den Umstieg auf die Bahn“.

Alternative
Als Alternative zur gekippten KTF-Finanzierung will die Regierung nun für Investitionen in die Schieneninfrastruktur das Eigenkapital der bundeseigenen Deutschen Bahn AG erhöhen. Die Mittel dafür sollen aus Privatisierungen kommen, zum Beispiel aus dem Verkauf der DB-Logistiktochter Schenker oder von Bundesanteilen bei der Deutschen Post und der Deutschen Telekom.