Wer hätte gedacht, dass der achteckige Pavillon in der Wilhelma saniert, neu bemalt und verschraubt solch eine Pracht entfaltet. Er ist noch länger von blickdichten Bauzäunen und schützenden Platten umgeben. Wir geben aber bereits Einblicke.

Am Eingangsportal der Wilhelma wird seit Herbst 2021 gearbeitet. Doch das Gebäude ist nicht irgendein Haus. Es war Teil des damaligen Lustschlosses La Wilhelma von König Wilhelm I.. Und das soll bald wieder erstrahlen. Noch ist der achteckige Pavillon blickdichten Bauzäunen und schützenden Platten umgeben. Farbige Transparente informieren über das historische Juwel, welches sich dahinter verbirgt. Der Besuch auf der Baustelle offenbart einmal mehr farbenprächtige Malereien. Denn selbst auf und zwischen den Säulen hat König Wilhelm seine Liebe zu Pflanzen, Tieren und farbiger Exotik gusseisern auf besondere Weise verewigen lassen.

 

Erstmals das gusseiserne „Kleid“ abgenommen

Erstmals in seiner Geschichte wurden von dem Pavillon, der 1843 gebaut wurde, das gusseiserne „Kleid“ abgenommen. Derzeit werden die Teile für den Rundgang um den Pavillon montiert. Allein vier Firmen sind für die Erneuerung des Gangs zuständig: eine für den Ab- und Aufbau, eine für die Nachgussteile, eine andere für die Reparaturen und die vierte für die Restaurierung, Beschichtung und Bemalung, wie Architektin Jana Kronawitt von den Strebewerk-Architekten sagt.

Konstruktion besteht aus 1000 Einzelteilen

Vor der Sanierung, die mit 1,8 Millionen Euro zuletzt veranschlagt war, wurde mit der Materialprüfanstalt (MPA) Stuttgart Möglichkeiten der Reinigung, Oberflächenvorbereitung in Kombination mit Beschichtungssystemen untersucht und die Instandsetzung und Reparatur geplant. Weil es Schäden an Verbindungen gab, wurde die Konstruktion abgebaut und dort, wo sie schadhaft war, repariert. Wie sich nun zeigt, handelte es sich um mehr als 1000 Einzelteile, davon etwa 300 baukonstruktive Teile aus Gusseisen, einem Grauguss mit Lamellengraphit.

Auch ein Kriegsschaden durch Splitter

Der Zahn der Zeit hat am Pavillon genagt. Es gab verschiedene Schäden. An den Bögen im Anschluss zur Stütze gab es durch Korrosionsdruck aus den Stützenzapfen viele Risse und Absprengungen, berichten Architektin Kronawitt und Eckhard Gromen von der Hochbauabteilung von Vermögen und Bau. An den Eckstützen an den Fußpunkten gab es Schäden, Brüche an Inneneckstützen. Viel Korrosion in Verbindungspunkten. Ecken haben sich leicht gelöst, weil Teile der bauzeitlichen Konstruktion fehlten und in der Nachkriegszeit nicht ausreichend ergänzt worden waren. An einem Träger gab es einen Kriegsschaden, vermutlich durch Splitter.

Farbige Gussplatten zwischen Säulen überraschen

Beim Rundgang treten die Gussplatten zwischen Säulen hervor, die in Abstimmung mit dem Denkmalamt farbig erstrahlen. Das Projekt ist sehr aufwendig. Ein Grund: Es gab viele Anpassungsarbeiten. Der Wiederaufbau der Eisenkonstruktion soll Ende des Jahres fertig, der gesamte Pavillon im kommenden Jahr saniert sein. Zuvor muss der Dachstuhl eingebaut, das Kupferdach samt Beleuchtung angebracht werden. Die Wandmalerei außen muss noch restauriert und der Bodenbelag aus Natursteinplatten teilweise erneuert werden. Die Gebäudetechnik muss eingebaut und Laibungen und Fensterstöcke noch restauriert werden. Im unteren Bereich fehlen neue Fenster und eine neue Tür. Der Dachstuhl wird noch gedämmt und die Wandmalerei innen noch gereinigt, konserviert und restauriert. Im Gebäude fehlen bislang die neue Beleuchtung und ein Tresen mit Arbeitsplätzen für die Wilhelma-Mitarbeiter.

Eisernes Konstrukt ist eine Pionierleistung

Die Arbeiten an dem Fertigteilbau mit acht Außenstützen zeigen: „Der gusseiserne Gang ist eine Pionierleistung. Er besteht aus einem Steck- und Schraubsystem“, so Kronawitt. Der König sei sehr modern gewesen und habe nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Produktivität und den Innovationsgeist gefördert. Der ausführende Gussmeister A. E. Stotz aus Wasseralfingen hat, wie der Künstler auf Bildern, sich als Urheber namentlich auf einer der Säulen verewigt.

Eines der wertvollsten historischen Gebäude der Wilhelma

Auf Reliefplatten zwischen Säulen erstrahlen indes Eichenblätter und Fruchtkörbe im pompejanischen, italienischen Stil, dazwischen Wappen mit Hirschgeweihen und Löwen. Ein Vordach am Pavillon lässt erahnen, wie der einst durchgehende gusseiserne Gang entlang der Terrakottamauer zu beiden Seiten ausgesehen haben kann. Über den Querstreben ranken ornamentale Blüten in Rosa und Hellblau. Vögel flattern zwischen Weinrebengirlanden. Botanik und Tiere vereint – mehr Symbolik geht nicht am Eingang des Stuttgarter zoologisch-botanischen Garten – einem der wertvollsten historischen Gebäude der Wilhelma. Nächstes Jahr soll es als Servicezentrum öffnen.