Die AfD-Umfragewerte täuschen nicht: Beim „Rottweiler Dialog“ ist die Stadthalle in Rottweil am Donnerstagabend rappelvoll.

Vor der Rottweiler Stadthalle stehen am Donnerstagabend nach Polizeiangaben nicht nur rund 500 Demonstranten, sondern auch Hunderte Menschen, in der Warteschlange, um beim „Rottweiler Dialog“ des AfD-Kreisverbands Rottweil-Tuttlingen dabei zu sein. In der Halle selbst werden derweil eifrig zusätzliche Stuhle aufgestellt, die vorbereiteten Stuhlreihen vergrößert. Das berichtet der Schwarzwälder Bote. Am Ende sind es wohl knapp 1000 Menschen aus allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten, die den Reden und Diskussionsbeiträgen konzentriert folgen.

 
Björn Höcke und Tino Chrupalla Foto: dpa/Silas Stein

„Der Geist ist aus der Flasche!“

Immer wieder brandet Applaus auf, gibt es stehende Ovationen für die Redner, die die Stimmung im Saal sichtlich genießen. Aber nicht nur die Stimmung an diesem Abend, auch die aktuellen Umfragewerte und die gewonnene Landratswahl in Sonneberg sorgen für Optimismus bei den Parteivorderen und der Basis. „Der Geist ist aus der Flasche, die Welle schwappt von Ost nach West“, ruft Parteivorsitzender Tino Chrupalla und der AfD-Europaageordnete Markus Krah fügt hinzu: „Wir haben die Schallmauer durchbrochen“. Und Björn Höcke, der umstrittenste Gast des Abends, betont: „Der politische Dammbruch ist nicht mehr aufzuhalten.“

Und Höcke rechnet mit denen ab, die im Nachgang der Sonneberg-Wahl alle Hebel in Bewegung setzten, an den Erfolgen der AfD zu drehen. Wenn Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer von „20 Prozent braunem Bodensatz“ spreche, dann sei das Volksverhetzung, weswegen er Kramer am Nachmittag angezeigt habe. Da werde fundamental gegen das Demokratieprinzip gearbeitet. „Es kann und darf nicht sein, dass diejenigen, die sich von den Altparteien egal welcher Farbe nicht mehr vertreten fühlen und die sehen, dass das Land gegen die Wand gefahren wird, dass die als brauner Bodensatz bezeichnet werden.“

Als Höcke davon spricht, dass der Rechtsstaat immer mehr zerfalle, schafft es ein Demonstrant in den Saal. Bevor er von Ordnern unter Applaus aus der Halle begleitet wird, schreit er noch „Nazis raus!“. Höcke bringt das nicht aus der Ruhe: „Ist doch toll, dass wir so eine Einlage bekommen.“
Lange vor Veranstaltungsbeginn kamen die ersten Besucher. Foto: dpa/Silas Stein

Seitenhieb gegen Ex-Parteivorsitzenden

Nicht gegen Föderalismus, nicht gegen Europa – aber umso entschiedener gegen die EU wie sie sich heute darstellt, und vor allem für den Erhalt der Demokratie positionieren sich nicht nur Höcke („Die Demokratiefeinde sind die, die an den Hebeln der Macht sitzen“), sondern auch Chrupalla („Wir haben eine positive Vision für den Kontinent Europa“) und der Europaabgeordnete Maximilian Krah. Letzterer kann sich in Rottweil einen Seitenhieb auf den Ex-Vorsitzenden Jörg Meuthen nicht verkneifen:“Wir haben aus 9,5 Meuthen-Prozent 20 Chrupalla-Prozent gemacht!“ Allerdings macht Krah schnell klar, dass es in der AfD nicht um Namen, sondern um Inhalte gehe: „Wir erzählen nicht vom Wetter in 100 Jahren.“

Björn Höcke spricht in der Rottweiler Stadthalle. Foto: dpa/Silas Stein

„Sonst sieht Stuttgart bald aus wie Detroit!“

Stattdessen müsse unter anderem der „Krieg gegen das Automobil“ gestoppt werden, so Chrupalla, sonst sehe Stuttgart bald aus wie Detroit. „Individualverkehr ist Freiheit, dieser Irrsinn muss gestoppt werden!“ Verbote, Verbote, Verbote – nichts anderes kommt aus Brüssel: Wir sollen kein Fleisch aber Mehlwürmer essen. Frau von der Leyen, essen sie ihre Würmer selbst!“ Den Blick auf Deutschland sprechen alle vom „Kartellparteien-System“, das es zu knacken gelte. Dass das keine Utopie ist, macht Krah deutlich: „Bald braucht niemand mehr Angst zu haben, zur AfD zu stehen.“ Und Björn Höcke pflichtet ihm bei: „Wir werden noch viel mehr werden.“ Und auch dieser Satz geht fast im tosenden Applaus unter. Dabei strahlt einer ganz besonders: Emil Sänze (Sulz), Landtagsabgeordneter und Kopf des Kreisverbands Rottweil-Tuttlingen, der die Parteioberen an diesem Abend nach Rottweil geholt hat.

Protest vor der Halle Foto: dpa/Silas Stein

Polizei sperrt weiträumig ab

Und während kurz vor 22 Uhr die Besucher in der Halle noch für Selfies anstehen, herrscht draußen vor der Halle Ruhe, sind nur noch eine Handvoll Gegendemonstranten da. Jetzt ziehen auch nach und nach die Trupps der Bereitschaftspolizei ab, die die Halle zuvor weiträumig abgeschirmt hatten.