Das Stuttgarter Studiotheater feiert den orgelnden Kabarettisten vom Niederrhein: „Wenn der Abend durch den Schornstein fällt“ mit Texten von Hanns Dieter Hüsch.

Stuttgart - Das Programm, mit dem sich das Stuttgarter Studiotheater vom alten Jahr verabschiedet, heißt „Wenn der Abend durch den Schornstein fällt“ – eine inspirierte Lesung aus dem Werk von Hanns Dieter Hüsch, ein Porträt des Kabarettisten und seiner Landschaft, eine Textcollage, die ihr Publikum berührt und mit leichter Melancholie und sanftem Lebensmut in die Silvesternacht entlässt. Mithin bietet die Inszenierung vielleicht genau das, was der Mensch an einem solchen Abend braucht.

 

Auf der Bühne sind Christof Küster, der Intendant des Studiotheaters, und Sebastian Schäfer zu sehen, Schauspieler, Sprecher und Musiker an der für Hüsch obligatorischen kleinen Orgel. Das Instrument klingt tief, fast kirchlich, streut mitunter weihnachtliche Noten aus, malt Klangbilder und gibt ironische und dramatische Kommentare zum sprachlichen Geschehen ab. Sebastian Schäfer spielt und rezitiert, Christof Küster rezitiert und singt. Beiden gemein ist eine Herkunft, die sie mit Hanns Dieter Hüsch verbindet: Auch der Kabarettist, 2005 mit achtzig Jahren verstorben, war ganz und gar verwurzelt am Niederrhein und machte die Mentalität seiner Landsleute zum Vehikel für poetisch-philosophische Ausflüge und Grübeleien, absurd wie bei Karl Valentin und voller Anekdoten und Geschichten, die er mit Thomas Bernhard im Kopf geschrieben hat. Wer nicht aus dem niederrheinischen Land stammt, dürfte sich also kaum an Hüsch heranwagen. Sebastian Schäfer insbesondere darf das, er wurde in Oberhausen geboren, Christof Küster stammt immerhin aus Wuppertal.

Komik, Trauer und Trotz

Die Bühnen- und Kostümbildnerin Maria Martínez Peña hat beide in Schwarz gekleidet. Da stehen sie also, an Pult oder Orgel, sitzen auf zwei Stühlen am Rand der Bühne ihren Zuschauern gegenüber, sprechen, präzise abgestimmt, lange, geschraubte Sätze, verwandeln Hüschs Texte in Duette, lassen Komik, Trauer, Trotz aus diesen sturen Kaskaden rieseln, ein ungleiches Paar, das gemeinsam Zwischentöne trifft: Schäfer, der geradeaus blickt, trocken auftritt und mit leichtem Schmunzeln; Küster, der seine Hüsch-Zeilen gerne mit schrägem Pathos abstürzen lässt. All das ist wunderbar gekonnt und anregend: Beide Sprecher sind mit Herzen bei der Sache.

Hüsch selbst ist manchmal auf dem Fernsehschirm zu sehen; ein Gerät hängt zur Seite der Bühne, zeigt Interviewausschnitte, die das Porträt abrunden. Der Kabarettist spricht auch von Krieg, von Depressionen, trinkt Tee, wirkt klug und sehr entspannt. Zum Programm gehören Klassiker, frühe, weniger bekannte Texte und Hagenbuch-Geschichten, auch jene, die mit Rimbaud endet: Küster und Schäfer rezitieren gemeinsam die letzte Strophe aus „Das Trunkene Schiff“. In die Silvesternacht schicken sie ihre Zuhörer mit einem Abendlied und einem rostigen Heiligenschein: „Er ist wasserfest / Du kannst ihn überall tragen / und wenn du bescheiden auftreten willst / ziehst du einfach am rechten Ohr und er geht sofort aus.“