Am Donnerstag diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft auf der Stuttgarter I-Mobility-Messe darüber, wie die Mobilität der Zukunft sich auf die Wirtschaft Baden-Württembergs auswirken könnte.

Stuttgart - Per Knopfdruck in der Mobilitäts-App ruft der Kunde ein Elektroauto. Binnen weniger Minuten ist es vor seinem Haus. Der Kunde steigt ein und beantwortet Mails, während das Fahrzeug ihn zu seinem Zielort bringt, dort entlässt und wieder wegfährt. Vernetzt, elektrisch und automatisiert.

 

Diese Vision eines personalisierten öffentlichen Nahverkehrs mit CO2-neutralen Elektroautos mutet derzeit noch an wie Science-Fiction, soll aber durch neue Antriebstechnologien, neue Mobilitätskonzepte und neue Möglichkeiten der Vernetzung Wirklichkeit werden. Das Stichwort ist „intelligente Mobilität“.

Genau damit befasst sich die I-Mobility auf dem Stuttgarter Messegelände. Die Messe bietet für den Verbraucher einen Überblick, was in puncto Fortbewegung heute schon möglich ist – gerade in der Region Stuttgart mit seiner starken Autoindustrie ein wichtiges Thema. Am Donnerstag diskutierten Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, moderiert von StZ-Redakteur Michael Heller, darüber, wie die Mobilität der Zukunft sich auf die Wirtschaft Baden-Württembergs auswirken könnte. Dabei ging es um die Chancen der hiesigen Autoindustrie, die Vorreiterrolle Baden-Württembergs in der Elektromobilität und um Steuerungsmöglichkeiten der Politik, beispielsweise durch die privilegierte Behandlung von Elektroautos im Straßenverkehr.

Verkehrsminister Hermann: Wirtschaft braucht „langen Atem“

Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) appellierte an die deutsche Wirtschaft „jetzt den langen Atem zu haben“, die Entwicklung dieser Technologie weiter zu betreiben. In einem StZ-Interview hatte er der Autoindustrie vorgeworfen, in Bezug auf die Entwicklung der Elektro- und Hybridtechnologie einen „Zickzackkurs“ gefahren zu sein. „Man darf nicht kurzfristig nach Börseneffekten agieren“, sagte er nun auf dem Podium. Robert Henrich, der Geschäftsführer von Daimler Mobility Services, nahm sein Unternehmen in Schutz: Gerade für die Region Stuttgart sei Hermanns Kritik „nicht angemessen“, da hier eine „besondere Dynamik“ in der Entwicklung von Elektromotor und Brennstoffzelle herrsche. Ulrich Schiefer, Gründer des Weilimdorfer Autobauers At-Track, gab zu bedenken, dass das Land in der Diesel-Technologie Spitzenreiter sei. „Als Weltmarktführer ist es schwierig, zu sagen, wir stellen jetzt ein Gegenkonzept auf“, sagte Schiefer.

Der Verbrennungsmotor werde auch weiterhin Arbeitsplätze in der Region sichern, darin waren sich die Diskutanten einig. Bei dieser Technologie gebe es noch genug CO2- Einsparpotenzial, so dass sich die weitere Forschung lohne, so die Diskutanten. Man dürfe sich aber nicht darauf ausruhen, sondern müsse ebenso in die Entwicklung der neuen Antriebstechnologien investieren. Verkehrsminister Hermann dazu: „Wer jetzt bremst, kann morgen zu den Verlieren gehören.“ Baden-Württemberg solle eine „Pionierregion für nachhaltige Mobilität“ werden.

In der Industrie macht sich Ernüchterung breit

Deutschland hat sich bis 2020 das Ziel gesteckt, eine Million Elektroautos auf den Straßen zu haben. Heute sind es erst 12 000. Johann Marius Zöllner, Vorstandsmitglied beim Forschungszentrum Informatik am Karlsruher Institut für Technologie, meinte, die Zielsetzung sei „sportlich“. Nach einem kurzen Hype habe nun Ernüchterung in der Industrie eingesetzt. Der Trend zur elektrischen Mobilität sei aber „unumkehrbar“, legte Franz Loogen nach. Er ist Geschäftsführer der Landesagentur E-mobil BW, die für Baden-Württemberg die Elektromobilität durchsetzen will. Sein Vertrag wurde gerade bis 2019 verlängert. Eine Million Fahrzeuge zu erreichen sei „gar nicht so unrealistisch“. Auch für die weitere Forschung sei wichtig, bei den E-Fahrzeugen größere Stückzahlen zu verkaufen. Ulrich Schiefer warb für hybridisierte Fahrzeuge: „Sie sind eine konkrete Brücke, um zum vollen Elektroauto zu kommen.“ Robert Henrich von Daimler appellierte an die Politik, das Fahren von E-Fahrzeugen für den Kunden attraktiver zu machen, um eine bessere Marktdurchdringung zu erreichen. Bisher seien beispielsweise Ladestationen „nur in homöopathischen Dosen“ verteilt.