Rainer Seiz aus Metzingen hat die Gerberei gelernt. Heute sind Hightech-Fasern als Leder sein Metier. Sein neuestes Produkt ist ein Handschuh mit Thermometer, der für die Feuerwehr die Orientierung erleichtert.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Stuttgart - Was viele aus Filmen kennen, ist für die Feuerwehren ein Problem: In schwerer Montur kriecht ein Feuerwehrmann durch rauchige, dunkle Gänge, geht in die Hocke, tastet an einer Tür. Ist diese heiß, lauert dahinter Gefahr. Rainer Seiz, Unternehmer aus dem Metzinger Ortsteil Glems, kennt solche Situationen. Der gelernte Gerbermeister war 32 Jahre lang selbst bei der Feuerwehr: „Die Feuerwehr muss oft schweres Gerät schleppen, vor der Türöffnung den Schutzhandschuh ausziehen, ablegen, nach der Tür tasten, um zu sehen, ob diese heiß ist, dann den Handschuh wieder anziehen.“ Dies alles ist nicht nur umständlich – dabei vergeht auch kostbare Zeit.

 

Der geschäftsführende Gesellschafter der Friedrich Seiz GmbH überlegte lange, wie sich dies ändern ließe. Er hatte eine Idee: Ein in den Handschuh integriertes Thermometer war die Lösung. Das kleine Gerät kann entweder mit Druckknöpfen oder mit einem Kreppband am Handschuh befestigt werden. „So hat der Feuerwehrmann auch die Hände frei“, sagt Seiz. Auch mit einer Wärmebildkamera könnte dieser sich ein Bild davon machen, was hinter der Tür passiert. Nur: Die Kamera muss er tragen, was durchaus hinderlich sein kann. Und sie ist etwa zehnmal so teuer. Das Gerät aus Glems kostet knapp 200 Euro, für eine Wärmebildkamera müssen gut und gerne 2000 Euro auf den Tisch gelegt werden. Zwei Displays signalisieren Frauen und Männern von der Wehr, was Sache ist: Eines zeigt die Temperatur an der Tür, die abgetastet wird, auf dem anderen signalisieren Leuchtdioden die Situation. Ist der Gegenstand, den der Handschuh berührt, weniger als 60 Grad warm, leuchten sie grün, bei einer Temperatur bis 370 Grad rot, bei einer noch höheren Temperatur fangen die Leuchtdioden rot an zu blinken. Die Lichtsignale sind auch in verrauchten, dunklen Räumen zu erkennen, wenn die Zahlen kaum noch abzulesen sind.

Nicht nur die Feuerwehr ist interessiert

Seiz zieht sich einen Handschuh an, schüttelt den Arm kräftig und zeigt damit einen weiteren Vorteil des Handschutzes mit Display: „Durch die Schüttelbewegung wird das Gerät aktiviert“, erklärt der Unternehmer, „ganz ohne Schalter und Knöpfe.“ Damit kann von dem Gerät, anders als beispielsweise beim Druck auf einen Schalter, keine Explosionsgefahr ausgehen.

Doch nicht nur die Feuerwehr interessiert sich für den Thermometerhandschuh: Auf einer Messe kam auch mal ein Professor, seines Zeichens Klimatologe, bei Seiz vorbei. Auf Hawaii kann dieser nun mit dem Gerät am Handschuh Temperaturen messen und versuchen herausfinden, ob ein Vulkan bald wieder ausbricht. Zudem kann er sich mit dem Handschuh an heißem Gestein abstützen, wenn er klettern muss. Der Vorteil: Er muss kein Messgerät tragen, sondern hat die Hände frei.

Der Handschuh, der die Hitze misst, ist nicht die erste Innovation am Fuße der Schwäbischen Alb. Als der gelernte Gerbermeister Rainer Seiz 1984 in das 1961 in einer Waschküche gegründete Unternehmen seiner Eltern einstieg, war eine Neuerung in der Produktpalette geradezu zwingend. Ausgerechnet der Gerber musste weg vom Leder. Aus dem fernen Osten setzten Billiganbieter zur Eroberung des Marktes an. „Wir mussten etwas anderes machen als Lederhandschuhe, sonst hätten wir nicht überlebt“, sagt Seiz. Die Reutlinger Feuerwehr gehörte zu den ersten Kunden, die sich für Handschuhe aus Hightech-Fasern begeistern ließen. Dass er damals mit seiner Idee von anderen verlacht wurde, darüber kann er nun selbst lachen.

Und natürlich produziert das Unternehmen inzwischen aus solchen Fasern nicht nur Feuerwehrhandschuhe, sondern auch solche für die Industrie. Diese sind beispielsweise besonders schnittfest – wer mit dem Taschenmesser drüberfährt, muss keine Angst haben, dass Blut fließt.

Nächste Zielgruppe: Wintersportler

Der Abschied vom Leder hat sich ausgezahlt: Vor 20 Jahren lag der Umsatz bei etwa fünf Millionen Euro, heute „nähert er sich 20 Millionen Euro“, wie Seiz sagt. Beschäftigt werden 35 Mitarbeiter in Metzingen, an zwei Standorten in Ungarn und Rumänien sind zusammen etwas mehr als 200 Beschäftigte tätig. Und beim Handschuh, der die Hitze misst, soll es keineswegs bleiben. Der Unternehmenschef wagt sich auf einen heftig umkämpften Markt: Von der kommenden Wintersaison an bietet Seiz auch Sporthandschuhe an – etwa für die deutsche Bob- und Rodelnationalmannschaft sowie für die tschechische Nationalmannschaft im Skispringen. „Wir wollen die Handschuhe der Wintersportler besser machen“, sagt der Firmenchef, „dabei nützt uns unser Wissen über Handschuhe für Feuerwehren und die Industrie.“ Doch auch an Ski-Amateure will Seiz sich wenden: „Unsere modernen Materialien sind dünner und sorgen dennoch für warme Hände.“

Zur Wintersaison indes gibt es noch eine weitere Neuigkeit – einen beheizbaren Handschuh mit einer kleinen Tasche für einen Akku: „Dieser bleibt selbst bei minus 30 Grad etwa acht Stunden lang warm“, sagt Seiz. Kälte, Hitze, Feuer und Eis – aus Glems kommen bald Handschuhe für alle Fälle.