Zur Europapolitik: Wolfgang Schäuble wollte die fiskalische Kontrolle der EU-Kommission entziehen. Nach dem Sondierungspapier soll der Rettungsfonds ESM zur Gemeinschaftsinstitution werden, kontrolliert vom Europaparlament. Gibt Deutschland damit nicht die Kontrolle über den ESM ab?
Das Bundesfinanzministerium hat immer gesagt, dass wir mittel- und langfristig den Rettungsfonds ESM in europäisches Gemeinschaftsrecht überführen wollen. Im Sondierungspapier ist eine parlamentarische Kontrolle festgeschrieben – die erfolgt auch durch die nationalen Parlamente. Es geht darum, den ESM weiterzuentwickeln. Wir wollen den Fonds als unabhängige Institution erhalten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der ESM Teil der EU-Kommissionsverwaltung wird.
Die SPD will in den Koalitionsverhandlungen noch Verbesserungen erreichen. Was passiert, wenn die SPD auf ihrem Parteitag zwar mit Ja stimmt, aber dies von ihren Nachforderungen abhängig macht – wo liegt Ihre Schmerzgrenze?
Ich erwarte, dass ein gemeinsames Verhandlungsergebnis, das der SPD-Parteivorsitzende als hervorragend bezeichnet, auf dem SPD-Parteitag auch eine Mehrheit findet.
Alle starren jetzt auf die SPD. Doch auch in der Union hält sich die Begeisterung über eine Groko in Grenzen.
Natürlich löst das keine Euphorie aus. Alle drei Parteien haben bei der Bundestagswahl historisch schlechte Wahlergebnisse eingefahren. Umso wichtiger ist es, dass wir die große Koalition zu einem Projekt mit Zuversicht, Zukunftsblick und Zusammenhalt machen. Dazu gehört auch, dass eine neue große Koalition besser erklärt, was sie tut und warum.
Apropos „gut erklären“: Können Sie unseren Lesern einmal Ihre Rolle verständlich machen? Sie gelten mal als junger konservativer Gegenspieler Ihrer Parteivorsitzenden Angela Merkel, gar als ihr potenzieller Nachfolger? Sie sollen zusammen mit Ihrem Freund und Mieter Christian Lindner die Jamaika-Gespräche torpediert haben, um die Kanzlerin scheitern zu sehen. Was ist Ihre Agenda?
So ein Quatsch. Ich wollte, dass Jamaika klappt. Das hätte gut werden können! Als Staatssekretär und Mitglied des CDU-Präsidiums will ich, dass unser Land ordentlich regiert wird. Deutschland geht es wahrscheinlich so gut wie noch nie, aber wir stehen vor massiven Herausforderungen: die Alterung unserer Gesellschaft, die Digitalisierung oder die Migration. Unsere Gesellschaft ist zerrissen wie lange nicht. Das wieder zusammenzuführen, halte ich für eine zentrale Aufgabe. Gemeinsam mit unserer Kanzlerin will ich, dass Deutschland erfolgreich bleibt
Und die soll das auch noch vier weitere Jahre bleiben?
Ja, unbedingt.
Sie haben sich schon einmal für eine Minderheitsregierung ausgesprochen, weshalb Ihnen wieder unterstellt wurde, zumindest mittelfristig an Neuwahlen ohne Merkel zu arbeiten, weil diese Regierungsform vielleicht nicht lange halten würde. Ist es wieder soweit, wenn die SPD am Sonntag „Nein“ oder „Ja, aber“ sagt?
Für mich hat eine große Koalition auf Basis der Sondierung Priorität. Wir brauchen schnell eine Regierung, die verlässlich handelt. Das können SPD und Union jetzt gemeinsam hinbekommen. Wir befinden uns immerhin in einer Situation, wie sie es seit Bestehen der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat. Das ist kein Anlass für Panik oder Pessimismus – aber es ist schon eine schwierige Lage
Die Junge Union drängt auf eine umfassende personelle Erneuerung mit Ihnen als Minister.
Diese Erneuerung findet mit Michael Kretschmer, Julia Klöckner, Daniel Günther oder Mike Mohring doch schon längst statt. Die nächste Generation der Union ist da, und sie wird nach und nach – das liegt in der Natur der Sache – noch stärker in Verantwortung kommen.
Kann nach diesem holprigen Groko-Start noch etwas Gutes daraus werden?
Entscheidend ist, dass kein Partner darauf angewiesen ist, Befriedigung aus dem Leiden der anderen Partner zu ziehen. Ich wünsche mir eine Regierung mit profilierten Partnern, die Deutschland für die nächsten zehn Jahre fit macht und neues Vertrauen der Deutschen in ihr Land, den Staat und die Politik sät.