Ein 15-jähriger Flüchtling aus Afghanistan ersticht seine gleichaltrige Ex-Freundin. Eine politische Debatte entfacht. Wir haben den CDU-Innenpolitikexperten Armin Schuster dazu befragt.

Berliner Büro: Norbert Wallet (nwa)

Berlin - Am Mittwoch hat ein 15-jähriger Flüchtling aus Afghanistan seine gleichaltrige Ex-Freundin in einem Drogeriemarkt im rheinland-pfälzischen Kandel erstochen. Was ist im Vorfeld schief gelaufen? Darüber ist auch eine politische Debatte entbrannt.

 

Redakteur Norbert Wallet vom Berliner Büro der Stuttgarter Zeitung und der Stuttgarter Nachrichten hat dazu Armin Schuster befragt. Schuster ist Bundestagsabgeordneter vom Wahlkreis Lörrach-Müllheim und Innenpolitik-Experte der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Er gehört zu den CDU-Politikern, die sich frühzeitig kritisch mit der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin auseinandergesetzt haben.

Herr Schuster, sind aus dem Fall in Kandel politische Konsequenzen zu ziehen?
In Kandel hat sich eine Beziehungstat ereignet. Ich warne davor, eine Beziehungstat zum Anlass einer Skandalisierung zu nehmen. Ich habe in dem Zusammenhang auch Verständnis für die Haltung der öffentlich-rechtlichen Sender, über Beziehungstaten zunächst nicht zu berichten. Bei der einsetzenden Hetzjagd in den sozialen Medien, ausgelöst auch durch das Foto des Täters in der „Bild“-Zeitung, ist mir gar nicht wohl. Was da an Facebook-Kommentaren kursiert, ist schon nah an der Grenze zur Selbstjustiz. Das macht mir Sorgen. Gleichwohl müssen wir grundsätzlich immer wieder darüber reden, ob wir im Umgang mit Asylbewerbern stets das rechte Maß finden. Das bezweifle ich.
Warum?
Unabhängig von Kandel gibt es einen Bedarf an einem restriktiveren, sanktionsorientierten Vorgehen bei kriminellen Asylbewerbern. Der Toleranzvorschuss, den wir Asylbewerbern gewähren, wenn sie Regelverstöße begehen, halte ich für falsch. Ich sehe ein frühzeitigeres Ausweise-Interesse Deutschlands als es die Gesetzeslage hergibt, die in der Koalition mit der SPD herstellbar war. Ob es der mehrfache Ladendieb ist, ob es der ist, der vor dem Brandenburger Tor israelische Fahnen verbrennt, oder derjenige der fortgesetzt Körperverletzungen begeht – eine Strategie, die wirklich auf Generalprävention, also Abschreckung setzt, müsste diese Leute aus Deutschland weisen. Das hätte auch erzieherische Wirkung auf andere. Das fehlt derzeit.
Es gibt eine Debatte um das richtige Alter des angeblich 15-jährigen Täters. Muss man nicht viel genauer prüfen, wie alt die unbegleiteten Jugendlichen sind, die zu uns kommen?
Ich nutze Kandel nicht zum Trittbrettfahren. Ich bin aber schon viel länger der Meinung, dass es bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen per Gesetz grundsätzlich eine medizinische Altersfeststellung geben muss. Das heißt in der Regel das Röntgen des Handwurzelknochens. Wir werden in zu vielen Fällen getäuscht.
Silvester steht vor der Tür. Da denkt man zurück an die Silvesternacht 2015/16 in Köln. Kann man unbeschwert zu den Feiern gehen?
Ja, sicher. Inzwischen ist die deutsche Polizei gewappnet für das, was passieren könnte. Wir müssen Deutsche nicht davor warnen, irgendwo hinzugehen, sondern wir müssen politisch der Polizei und den Sicherheitsbehörden konsequenter den Rücken stärken. Sie müssen wissen, dass sie einschreiten dürfen und dass wir das auch wollen. Ob Politiker auf allen Ebenen wirklich überall diese Botschaft vermitteln, bezweifle ich. Ich habe eher den Eindruck, dass manche politischen Führungskräfte noch immer auf einem antiautoritären Trip sind.