Dass Vertreter Chinas um Investitionen werben, ist nicht neu. Der Aufgalopp in Stuttgart war aber doch etwas Besonderes: ein Gegengewicht zu Mahnungen der deutschen Politik.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Wenn Politiker mit oder über China reden, dann ist die Zeit der freudvollen Lobpreisungen weitestgehend vorbei. Die Tonlage ist seit einiger Zeit eher in Moll gehalten, da ist dann nicht länger von Partnerschaft oder gar Freundschaft die Rede, sondern vielmehr von Risiko oder von Rivalität.

 

Wenn Ling Ji das Wort ergreift, dann ist davon nicht viel zu hören. Die chinesische Regierung lege großen Wert auf gute Beziehungen, sagt der stellvertretende Handelsminister, und dass Deutschland und China viele gemeinsame Interessen hätten. Den Freihandel zum Beispiel, und dass die Lieferketten nicht unterbrochen werden. Ling Ji spricht in Stuttgart, in der Alten Reithalle, einem der prestigeträchtigen Veranstaltungsorte der Stadt.

Vor ihm sitzen eine ganze Reihe von deutschen Unternehmern und eine Vielzahl an chinesischen Provinzpolitikern. Das ist nicht despektierlich gemeint. Ein paar tausend Kilometer von Peking entfernt kann die Bezeichnung Provinzfürst für einen stellvertretenden Gouverneur schon angebracht sein, mit Betonung auf Fürst.

Gegenmelodie zur Berliner Musik

Dass Vertreter der chinesischen Regionen durch Deutschland und die Welt reisen, um für Investitionen in ihrem Beritt zu werben, das ist nicht unbedingt neu. Bevor Corona die Welt – und ganz besonders China – ein paar Jahre lang lahmgelegt hat, waren Werbeshows mit mehr oder weniger fesselnden Vorträgen an der Tagesordnung. Eine solch massive chinesische Charmeoffensive wie diese ist dann aber doch etwas Besonderes. Neben dem stellvertretenden Handelsminister sind Vertreter von zwei Provinzen und mehreren Städten nach Stuttgart gereist, um die Werbetrommel für ihre Heimat zu rühren. Es ist die Gegenmelodie zu der Musik, die derzeit in Berlin gespielt wird.

Ling Ji hat das Motto vorgegeben: „Die Chancen sind für deutsche Unternehmen in China viel größer als die Risiken.“ Diese These scheint anzukommen. Vor wenigen Wochen hat das Institut der Deutschen Wirtschaft die Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in China errechnet. 11,9 Milliarden Euro waren das im vergangenen Jahr und somit ein Anstieg von 4,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. China, daran besteht kein Zweifel, möchte diese Kennziffern noch weiter steigern.

Ein Plan zum Austausch von Geräten

Um den ausländischen Unternehmen das Engagement schmackhaft zu machen, hat das Handelsministerium einen Plan erstellt. Im Jahr 2025 sollen 15 Prozent mehr Haushaltsgeräte ausgetauscht werden als im vergangenen Jahr. Und um zu verdeutlichen, was das bedeutet, hat Ling Ji rechnen lassen. Drei Milliarden Haushaltsgeräte gebe es in China, dazu einen Bestand von neun Millionen Baumaschinen und 336 Millionen Autos, die auch gewechselt werden sollen. Alles Bereiche, in denen Deutschland stark ist, wirbt der stellvertretende Minister.

Huang Yiyang, der Generalkonsul Chinas in Frankfurt, hat dann gleich noch die passende chinesische Weisheit für die gewünschte Zusammenarbeit parat: „Wer alleine arbeitet, addiert; wer zusammen arbeitet, multipliziert.“ China setzt auf das Gegenteil von Entkopplung, und Huang Yiyang bringt gleich noch eine neue Variante der Zusammenarbeit ins Spiel: Wäre es nicht toll, wenn deutsche und chinesische Unternehmen gemeinsam auf dem Weltmarkt agierten, auch in Drittländern?

Hier gibt es Platz und Ökostrom

Ein paar Vorschläge, wo die deutschen Unternehmen im riesigen China einen Platz finden könnten, gab es natürlich auch. Es muss nicht immer Schanghai oder Peking sein. Die Vizegouverneure der Provinzen Shanxi und Shaanxi (die sich in den chinesischen Zeichen deutlicher unterscheiden als durch ein einziges a im Namen) werben mit umweltfreundlichem Ökostrom, mit der größten Bio-Ethanol-Produktion der Welt oder dem größten chinesischen Binnenhafen – und mit unglaublich viel Raum für die Entwicklung. Beide Provinzen haben noch deutlich mehr Platz zur Verfügung, als es an der dicht besiedelten Ostküste der Fall ist.

Die Stadt Tianjin wirbt nicht nur damit, dass hier, knapp 30 Schnellzugminuten und 110 Kilometer von Peking entfernt, 1901 das erste Deutsche Restaurant in China eröffnet wurde und immer noch besteht. Und Suzhou, rund 100 Kilometer westlich von Shanghai, lobt sich, fünf Mal in Folge als „Stadt mit dem besten Geschäftsumfeld“ ausgezeichnet worden zu sein. Das haben schon mehr als 160 deutsche Unternehmen erkannt und sich dort nieder gelassen.

Werbung von denen, die es wissen müssen

Und weil es die beste Werbung ist, jene sprechen zu lassen, die schon dort sind, loben Vertreter der Zollern GmbH oder von Kern und Liebers die Möglichkeiten, die China bietet. Die beiden Weltmarktführer sind dabei ganz auf einer Linie mit dem Vertreter von Bosch, der „vielversprechende Chancen für eine weitere Entwicklung in China“ sieht.

Die Politik mit ihren Warnungen, so scheint es in diesem Moment, hat es schwer. Dann gibt es Essen.