Werbung darf genauso wie Satire provozieren – allerdings maßvoll, ohne dabei gotteslästerlich zu sein oder die Gefühle von religiösen Menschen zu verletzten. Im mehrheitlich katholischen Italien hat ein Kartoffelchips -Hersteller mit seinem Werbespot offenbar eine Grenze überschritten.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

In Italien sorgt derzeit ein Werbespot für große Empörung, in dem ein katholischer Geistlicher einer bildschönen, jungen Nonne bei der Kommunion statt einer geweihten Hostie einen Kartoffelchip reicht.

 

Das Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft empfahl am Dienstag (9. April) in Rom, den 30-Sekunden-Film aus dem Verkehr zu ziehen, weil er religiöses Empfinden verletze. Der Spot endet mit der Einblendung „Il divino quotidiano“ (in etwa: „Das Göttliche für jeden Tag“). In Italien sind von etwa 59 Millionen Einwohnern mehr als 80 Prozent katholischen Glaubens.

Werbung darf nicht missachtend sein

In dem kurzen Werbespot ist zu sehen, wie die junge Nonne nach dem Empfang der Kommunion geradezu in ekstatisch-mystische Verzückung gerät. Aus dem Off ist dann das typische Knacken beim Verzehr von Kartoffelchips zu hören.

Unmittelbar danach schwenkt die Kamera auf eine etwas älteren, weniger gut aussehende Ordensschwester, die sich während der Eucharistiefeier genüsslich und ohne eine Spur von Reue zu zeigen eine Tüte „Amica-Chips“ zu Gemüte führt.

Der Kontrollausschuss der italienischen Werbewirtschaft sieht in dieser Darstellung in einen Verstoß gegen eigene Bestimmungen, wonach Werbung nicht moralische, bürgerliche oder religiöse Überzeugungen missachten darf.

So reagiert die Netzgemeinde auf den Werbespot

Was ist eine Hostie?

In der Hostie ist nach katholischer Auffassung Jesus Christus libhaft gegenwärtig. Diese „Gegenwart Christi im Sakrament des Altares“ wird in der Eucharistie gefeiert. Als Danksagung (von griechisch „eucharistéo“) ist es eine der grundlegenden Ausdrucksformen des christlichen Glaubens.

Alle Kirchen sehen im Abendmahl eine Erinnerungsfeier an das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern vor seiner Verhaftung und Kreuzigung. Allerdings wird das, was im Abendmahl geschieht, und die Weise, wie Christus gegenwärtig ist, theologisch sehr unterschiedlich gedeutet.

Was meint kirchliche Gemeinschaft im Abendmahl?

  • Katholische Kirche: Die Katholische Kirche spricht von der Eucharistie, in der die Gläubigen die Kommunion empfangen (von lateinisch „communio“, Gemeinschaft). Durch die Einsetzungsworte des Priesters im Hochgebet wird das Brot zum Leib und der Wein zum Blut Christi gewandelt (sogenannte Transsubstantiation, lateinisch für Wesensverwandlung).
  • Lutheraner: Martin Luther war der Auffassung, dass Christus in Brot und Wein körperlich zugegen ist (sogenannte Realpräsenz).
  • Reformierte: Nach reformiertem Verständnis (Hulderych Zwingli, Jean Calvin) ist das Abendmahl nur ein Zeichen (Symbol) für die Gegenwart Gottes. Die evangelischen Kirchen sprechen statt von Eucharistie von Abendmahl, um den Zusammenhang der Feier mit dem letzten Mahl Jesu deutlich zu machen.
  • Während in der Katholischen Kirche die Eucharistie fester Bestandteil eines jeden Gottesdienstes ist, feiern Protestanten das Mahl weniger häufig, aber wenigstens einmal im Monat.

Info: Blasphemie und deutsches Strafrecht

Blasphemie
Der Begriff Blasphemie kommt vom Altgriechisch βλασφημία/blasphēmía „Rufschädigung“. Das Verhöhnen oder Verfluchen von Glaubensinhalten einer Religion oder eines Glaubensbekenntnisses bzw. die öffentliche, Ärgernis erregende Beschimpfung Gottes bezeichnet man als Gotteslästerung.

Blasphemie-Paragraf
In einigen europäischen Ländern existieren Blasphemie-Paragrafen in den Strafgesetzbüchern, darunter auch in Deutschland. In Paragraf 166 Strafgesetzbuch (StGB) heißt es: „(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“

Kann man nach deutschem Recht Gott lästern?
Gott ist „de jure“ – dass heißt rechtlich betrachtet – kein Rechtssubjekt wie eine Einzelperson oder eine Gruppe. Der Staat hat deshalb nicht den Auftrag das Göttliche gegen Angriffe zu schützen. Genauso wenig kann er als völkerrechtliche Körperschaft verbindlich festlegen, ob Gott überhaupt existent ist oder nicht. Der Staat ist in weltanschaulichen und religiösen Fragen zu Neutralität verpflichtet.

Wer oder was wird geschützt?
Im Deutschen Reich wurde seit 1871 belangt, wer für ein Ärgernis sorgte, indem er öffentlich Gott lästerte oder eine Religionsgemeinschaft beschimpfte. 1969 wurde der betreffende Paragraf 166 StGB geändert. Seitdem ist im Strafgesetz nicht mehr von Gotteslästerung mehr die Rede, vielmehr geht es um die „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“. Mit einer Strafe rechnen muss demnach nur, dessen Beschimpfung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Wo endet die Rechtskompetenz des Staates?
Der säkulare Staat darf keine Religion oder Weltanschauung bevorzugen. Ebenso wenig hat er weder die Aufgabe noch die Berechtigung, Strafen nach Maßgabe subjektiver Glaubensinhalte und individueller Befindlichkeiten oder Empörung zu verhängen. Das strafrechtliche Schutzgut ist der öffentliche Friede, nicht eine bestimmte Religion oder Überzeugung.

Wie steht es um Meinungsfreiheit?
Das Recht auf Meinungsfreiheit (Artikel 5 des Grundgesetzes) ist ein durch die Verfassung geschütztes und gegen die Staatsgewalt gerichtetes Grund- und Menschenrecht, das nicht eingeschränkt werden darf. Außer es handelt sich um eine strafwürdige Meinungsäußerung.

Wo hört die Meinungsfreiheit auf und wo fängt die Strafwürdigkeit an?
Meinungsfreiheit endet dort, wo zu Hass und Gewalt gegen Einzelne oder eine Gruppe mit einer bestimmten nationalen, rassischen, religiösen oder ethnischen Herkunft aufgefordert wird. Nach Paragraf 130 StGB ist Volksverhetzung eine Straftat gegen die öffentliche Ordnung und umfasst auch den Schutz des religiösen Bekenntnisses. Beleidigung ist gemäß Paragraf 185 StGB ein Ehrdelikt. Beide Vergehen können mit einer Freiheitsstrafe bestraft werden. Strafrelevante Äußerungen werden in der Regel als Beleidigung oder Volksverhetzung und nicht als Blasphemie geahndet.

Braucht man den Blasphemieparagrafen überhaupt noch?
Juristisch nicht zwingend. Paragraf 166 StGB füllt keine Lücke im Strafrecht aus. Er hat mehr eine symbolische Funktion, indem er festlegt, dass auch die freie Meinungsäußerung Grenzen hat. Positiv betrachtet soll er die Toleranz gegenüber religiösen Bekenntnissen sichern und vor religiös motivierten Konflikten in einer demokratischen Gesellschaft schützen. In der Rechtspraxis spielt der Passus praktisch keine Rolle.

Darf Satire wirklich alles, wie der Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890–1935) meinte?
Die Meinungs- und Pressefreiheit „finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze“, heißt es in Artikel 5 des Grundgesetzes. Ob eine Äußerung darunterfällt, muss im Einzelfall juristisch geklärt werden. Einen gesetzlichen Maulkorb im Sinne eines generellen Verbots gibt es aber nicht. Es muss abgewogen werden zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und der Meinungsfreiheit des Lästerers. Als die „Titanic“-Redaktion im August 2012 auf dem Titelblatt de damaligen Papst Benedikt XVI. mit einer gelb-braun besudelten Soutane darstellte, berief sie zu ihrer Verteidigung auf die Freiheit der Meinung und Kunst. Der Papst zog seine Zivilklage gegen das Satireblatt im Übrigen wieder zurück (mit dpa-Agenturmaterial).