Die SPD im Land fordert mehr Tempo bei der Umsetzung der Klimaziele in Baden-Württemberg. „Die Landesregierung ist ganz stark im Wollen und Wünschen und ganz schwach im Umsetzen“, sagt SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Die DIW Econ, eine Beratungstochter des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW) hat im Auftrag der SPD untersucht, ob Baden-Württemberg seine Klimaziele erreichen kann. Das Ergebnis: „Die bisher realisierten und geplanten, landespolitischen Maßnahmen genügen nicht“, so Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin Energie, Verkehr, Umwelt und Energie beim DIW.
Baden-Württemberg hat sich ehrgeizige Klimaschutzziele gesetzt. Bis 2030 sollen die Gesamtemissionen gegenüber 1990 um mindesten 65 Prozent reduziert werden. 2040 soll Baden-Württemberg klimaneutral sein – fünf Jahre früher als auf Bundesebene vorgesehen. Es dürfen dann nur noch so viele Treibhausgase ausgestoßen werden, wie wieder gebunden werden können. Für das Jahr 2030 hat das Land Ziele für einzelne Sektoren wie Energie, Verkehr oder Gebäude vorgegeben. Diese gibt es auch auf Bundesebene. Die Ampel hatte aber gerade entschieden, dass die Sektorziele alle zwei Jahre Teil einer Gesamtbetrachtung sein sollen.
Auch laut der nun von der SPD-Fraktion finanzierten Studie reichen die Maßnahmen der Landesregierung noch nicht aus. „Derzeit werden zentrale Hemmnisse in allen drei Sektoren noch nicht ausreichend von der baden-württembergischen Landespolitik adressiert“, heißt es darin. Die Rede ist von „nie dagewesenen Anstrengungen aller Handelnden“. In dem Papier wird unter anderem die deutlich intensivere Sanierung und der Austausch von Heizsystemen in Gebäuden gefordert. Außerdem müsse der motorisierte Verkehr auf den Straßen schneller auf Elektro umgestellt und der ÖPNV ausgebaut werden. Das DIW beziffert die notwendigen Investitionen in den drei untersuchten Bereichen bis 2030 auf 130 Millionen Euro. Die müssten in erster Linie von Privatpersonen und Unternehmen gestemmt werden.
Vom Land erwartet das DIW vor allem ordnungspolitische Ansätze, also Vorgaben, aber auch Fördermaßnahmen – etwa um Menschen mit geringeren Einkommen zu entlasten. Kemfert kritisiert aber, dass Hemmnisse auf der der Angebotsseite von der Landesregierung bislang nicht adressiert werden. So fehlten nach ihren Berechnungen Zehntausende Fachkräfte – um neue Heizungen und Solarpanels zu installieren.
Fachkräfte zur Umsetzung fehlen
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch schlägt deshalb ein Landeskompetenzzentrum zur Stärkung klimarelevanter Handwerksberufe vor. Darüber hinaus hat er Ideen, um die Verbraucher bei der Umstellung zu unterstützen: „Wir wollen unter anderem eine Abwrackprämie für den Austausch von Öl- und Gasheizungen, die Erhöhung des Mindestflächenziels für Wind-und Solaranlagen auf drei Prozent und endlich die Umsetzung und nachhaltige Finanzierung der Mobilitätsgarantie im ÖPNV“, sagte er. Die SPD hatte jüngst zudem einen Transformationsfonds gefordert, um den mit Umbau der Industrie hin zu mehr Klimaschutz zu fördern.
Die grün-schwarze Koalition nimmt den Ball auf: Die Studie liefere wertvolle Denkansätze, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, beeilte sich aber zu betonen, dass er die Frage der Fachkräftegewinnung jüngst angegangen sei.
Zahlen der DIW-Studie
Gebäude
Die jährliche Sanierungsrate müsste laut DIW-Studie von derzeit 1 auf 3,8 Prozent steigen. Dann werde etwa jedes dritte Gebäude bis 2030 saniert. Rund 900 000 Gebäudeheizsysteme müssten installiert, der Anteil von Öl und Gas an der Wärmeerzeugung um 30 Prozent. Die Kostenpunkt: rund 70 Milliarden Euro.
Verkehr
Laut Studie müssen jährlich mindestens 85 000 batterieelektrische Autos sowie 5000 bis 6000 batterieelektrische leichte Lkw neu zugelassen werden. Das Transportaufkommen im regionalen Schienen- und Busverkehr muss um 10 Prozent, der ÖPNV zudem schnell elektrifiziert werden. Kosten: 33 Milliarden Euro.
Energie
Der Anteil erneuerbarer Energien beim Strom muss sich auf 80 Prozent und in den Heizkraftwerken auf 78 Prozent zu erhöhen. Es braucht wesentlich mehr neue Wind- und Photovoltaik, außerdem erneuerbare Wärmeerzeugung in Heizkraftwerken etwa mit Biomasse. Investitionsbedarf: rund 28 Milliarden Euro