Das Landesarbeitsgericht hält die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung durch die Stadt für möglich. Das hat nun auch politische Folgen.

Stuttgart - Es ist nur ein Satz, den Heide Steer als Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht, ihrem Vorschlag zur Güte vorausschickt. Die Rathausspitze dürfte ihn aber Schlag ins Gesicht mit einem sehr dicken Zaunpfahl verstehen. Es bestehe „die Möglichkeit“, dass sie das erstinstanzliche Urteil im Fall der fristlosen Kündigung gegen den Ex-Leiter der umstrittenen Internationalen Abteilung des Klinikums Stuttgart bestätige, so Steer.

 

Das Arbeitsgericht hatte zwar die ordentliche Kündigung des zwischen Mai und September 2018 wegen der Misswirtschaft in seiner Abteilung in Untersuchungshaft gesessenen 54-Jährigen bestätigt, die außerordentliche aber für unwirksam erklärt. Nun geht es darum, sich zu vergleichen. Die Stadt hat nun vier Wochen Zeit, um sich zu überlegen, ob sie diesen Vorschlag akzeptiert oder ein Urteil riskiert.

Die Stadt sieht auch einen Fall Hämmerle

In der Berufungsverhandlung haben offenbar nicht kündigungsrelevante, aber bisher unveröffentlichte Sachverhalte aus dem Repertoire der städtischen Anwälte Aufmerksamkeit erregt. So soll Braun auf einer Messe in Dubai dem Konstanzer Landrat Frank Hämmerle angeboten haben, den dortigen Tourismus zu stärken, indem er seine Kontakte zu arabischen Partnern nütze. Im Rathaus wurde das so verstanden, dass Braun Patienten statt nach Stuttgart an den Bodensee lotsen wollte. Kronzeuge war der kürzlich verstorbene Stadtkämmerer Volker Schaible. Braun sagt, das sei Unsinn.

Gegen den Ex-Abteilungsleiter wird zudem vorgebracht, ein Komplott geschmiedet zu haben, das ihm Schmiergeld eingebracht habe. Beteiligte sollen laut Richterin Steer Manuel Bähr von der Firma APM Medical Solution sein, die die Abrechnungen für die Klinikärzte vorgenommen habe, sowie Jasmin Porter vom Münchner Patientenbetreuer HCMI. Außerdem habe Andreas Braun von einem zinslosen Darlehen des Patientenbetreuers Europe Health Service profitiert. Braun dementierte und verwies im übrigen auf das laufende Strafverfahren.

Zwei Wochen Zeit für eine fristlose Kündigung

Die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung hätte das Landesarbeitsgericht wie die erste Instanz wohl auch mit dem Versäumen der Zwei-Wochen-Frist begründet und zudem damit, dass sich die Stadt zu lange Zeit mit ihren Ermittlungen gelassen habe. Die Entlassung Brauns hätte Anfang 2016 erfolgen müssen, nicht erst 13 Monate später.

Dieselben Argumente werden in wenigen Wochen in der Berufungsverhandlung der ehemaligen Finanzchefin Antje Groß referiert, sofern die Stadt an ihrem Einspruch festhalten sollte. Groß hatte man ebenfalls 2017 fristlos gekündigt, auch bei ihr hat die Zwei-Wochen-Frist am 19. Dezember 2015 begonnen. Anders als bei Braun war sie nicht ordentlich kündbar. Sie akzeptiert auch die Begründung der Gegenseite nicht.

Politisch interessant ist der Hinweis der Richterin wegen der einvernehmlichen Trennung von Ex-Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz im Frühjahr 2016. Eine fristlose Kündigung wäre angeblich mit Arbeitsgerichtsprozessrisiken verbunden gewesen, so OB Fritz Kuhn (Grüne) damals. Tatsächlich hatte die Stadt wohl auch bei Schmitz die gesetzliche Frist versäumt. Der Gemeinderat hätte jedenfalls spätestens am 28. Januar 2016 entscheiden müssen – über die Modalitäten der Vertragsauflösung war er aber erst Wochen später informiert worden. Das Gremium wertet das als Dienstvergehen.