Kommentar zur Rathauspolitik Brückenbauer sind gefragt

Stuttgart ist derzeit eine gespaltene Stadt. 2012 wird deshalb ein ziemlich wichtiges Jahr, schreibt StZ-Lokalchef Achim Wörner.
Stuttgart - Ein Jahr geht zu Ende, das in Stuttgart kaum aufregender und aufreibender hätte verlaufen können. Die Landeshauptstadt ist politisch, aber auch städtebaulich einem fundamentalen Wandel unterworfen. Und es braucht keine prophetische Gabe, um vorherzusagen, dass die kommenden zwölf Monate erneut prägend sein werden - nicht zuletzt, weil mit der Oberbürgermeisterwahl im Herbst 2012 eine wichtige Weichenstellung ansteht.
Für eine Standortbestimmung hilft es, wichtige Ereignisse im Zeitraffer Revue passieren zu lassen. 2011 - da war der Rücktritt des Polizeipräsidenten als Nachwehe des "schwarzen Donnerstags"; da war die Landtagswahl samt Regierungswechsel; da war die Einweihung der runderneuerten Mercedes-Benz-Arena und der Bibliothek. Da war die Volksabstimmung mit dem Votum für Stuttgart21 und die Verabschiedung des Stadtetats mit hohen Investitionen in Schulen und Kindertagesstätten.
Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und der Gemeinderat haben sich - trotz einer nun höheren Verschuldung - alles in allem als Garanten einer soliden Finanzpolitik erwiesen. Die vielen Baukräne, die sich im Talkessel drehen, sind zudem ein Zeichen für Prosperität. Und auf anderen wichtigen Feldern wie der Integration oder der Kinderfreundlichkeit ist Stuttgart auch auf gutem Weg.
Schuster überzeugt im Streit über Stuttgart 21
All dies ist maßgeblich mit ein Verdienst des Rathauschefs. Zwar ist Wolfgang Schuster das Gegenteil eines Volkstribuns. Unbestritten aber ist, dass er seit 1997 als unermüdlicher Antreiber fungiert. Nicht alles ist gelungen: die Pleite bei der Olympia-Bewerbung ist in dieser Hinsicht das prominenteste Beispiel; auch die maroden Schulgebäude sind ein Makel. Insgesamt aber ist seine Bilanz mehr als nur respektabel.
Überlagert wird all dies jedoch vom Streit über Stuttgart21. Wolfgang Schuster hat dabei aus Überzeugung allen Anfeindungen getrotzt und seine klare Pro-Position gehalten. Das nötigt Respekt ab in einer Zeit, da Politiker eigene Überzeugungen leicht über Bord werfen. Insofern kann sich der OB bestärkt fühlen durch das Ergebnis der Volksabstimmung. Allerdings zeigt dieses Ergebnis auch: Stuttgart bleibt in einer Kernfrage der Stadtpolitik gespalten.
Seit die Auseinandersetzung sich vor eineinhalb Jahren dramatisch zugespitzt hat, sind tiefe gesellschaftliche Gräben entstanden. Und diese sind längst nicht zugeschüttet. Was es bedarf in dieser sensiblen Gemengelage, sind also Brückenbauer unter den Entscheidern, bis hin zur Rathausspitze.
Erneute OB-Kandidatur birgt ein Risiko
Dieser Tage nun will Wolfgang Schuster für sich entscheiden, ob er eine dritte Amtszeit anstrebt. Einerseits spricht etliches dafür, die erfolgreiche Arbeit fortzusetzen, zumal er sich fit und an Ideen reich genug fühlt, um die Stadt weiter voranzubringen. Überdies sind personelle Alternativen bei keiner Partei in Sicht, schon gar nicht bei seiner eigenen, der CDU. Andererseits weiß der OB, dass eine Kandidatur das Risiko einer Niederlage birgt - zumal er zweimal nur knapp gewonnen und sich diesmal mit erstarkten Grünen zu messen hat.
Vor allem aber wird Schuster sich selbstkritisch fragen müssen, ob er die Rolle des Brückenbauers spielen kann. Schließlich hat er es in der Vergangenheit versäumt, auf die Kritiker von Stuttgart21, mithin fast die Hälfte der Bevölkerung, zuzugehen. Und selbst in seinem Brief kurz vor der Volksabstimmung an alle Haushalte hat er kein Verständnis erkennen lassen für jene, die mit Stuttgart21 weniger Chancen als Sorgen verbinden.
Mit ähnlichen Belastungen, nur unter umgekehrten Vorzeichen, ginge übrigens ein grüner Kandidat ins Rennen, der sich bei den Protesten gegen das Großprojekt profiliert hat. In dieser Hinsicht unbefangene Kräfte würden jedenfalls nicht so leicht in rückwärts gewandte Diskussionen verstrickt - und markierten einen atmosphärischen Neuanfang. Diesen zu gestalten, ist im Hinblick auf das neue Jahr die wohl größte Herausforderung in Stuttgart.
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