Der künftige Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagt nach der Pleite des VfB Stuttgart: „Schlimmer kann es nicht mehr werden.“    

Stuttgart - Der Mann am Klavier, der im VIP-Bereich der Stuttgarter Arena für eine gelöste Atmosphäre sorgen soll, führt an diesem Abend einen aussichtslosen Kampf. Denn um ihn herum versammelt sich eine Trauergesellschaft, die das 2:4 gegen den 1. FC Kaiserslautern bis ins Mark erschüttert hat. Tief sitzt der Schock bei den Geldgebern und bei den Sponsoren auf den teuren Plätzen - und bei Winfried Kretschmann.

 

Er hat dem VfB seinen Antrittsbesuch als designierter baden-württembergischer Regierungschef abgestattet und dabei feststellen müssen, dass die Mannschaft der Musik in der Bundesliga immer weiter hinterherläuft.

Daran kann der Klavierspieler nichts ändern, obwohl er sein Bestes gibt. Kretschmann beachtet ihn nicht. Der Grünen-Politiker ist von Kindesbeinen an bekennender VfB-Fan, im Gegensatz zu seinem Vorgänger Stefan Mappus (CDU), der von den Bayern schwärmt. Wer von beiden gerade mehr Kummer mit seinem Club hat, ist zwar schwer zu beurteilen, doch wohl eher Kretschmann.

Ein Abstieg nur ein "temporärer Ausreißer"?

"Schlimmer kann es nicht mehr werden", sagt er, "die Spieler hatten Angst. Anders kann ich mir das nicht erklären." Das ist für Kretschmann die Erkenntnis: "Ich habe gelitten." Von der Zuversicht, die er im Wahlkampf versprüht hatte, ist in diesem Augenblick nichts zu spüren. Wie auch, da um ihn herum eine Untergangsstimmung ausgebrochen ist?

Dazu passen die Töne in Moll, die der Mann am Klavier zwischenzeitlich anstimmt. Ein paar Meter daneben macht sich Winfried Kretschmann seine Gedanken darüber, wie es beim VfB nun weitergehen soll. "Einen Abstieg würde ich nur als einen kleinen temporären Ausreißer betrachten", sagt er.

Seite 2: Kretschmann gibt sich diplomatisch

Er würde also darauf hoffen, dass der Unglücksfall schnell zu reparieren ist. In Wirklichkeit wären die Auswirkungen jedoch gravierend und die Folgen unabsehbar, wenn das Klassenziel verpasst wird. Keiner weiß das besser als Ulrich Ruf. Während sich Kretschmann noch mit den Reportern unterhält, verlässt der VfB-Finanzdirektor die Ehrenloge des Clubs und vermittelt nicht den Eindruck, dass er in diesem Moment angesprochen werden will.

Wiederwahl von Präsident Staudt unwahrscheinlich

Dabei könnte Ruf sagen, dass er seine Hausaufgaben erledigt und der Deutschen Fußball-Liga (DFL) vor ein paar Tagen das Konzept für die zweite Liga präsentiert hat. Die Finanzierung ist gesichert, auch weil es gelungen ist, die größten Partner weiter an sich zu binden. Dennoch wären Sparmaßnahmen unvermeidlich, sowohl bei der Mannschaft als auch in der Verwaltung.

Aber das ist nicht das Thema von Kretschmann. Er gibt sich diplomatisch und sagt, der VfB sei ein Aushängeschild für Baden-Württemberg und wichtig für das Land, "besonders für die Schwaben. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass der Club absteigt". Sein Motto lautet demnach frei übersetzt: es kann nicht sein, was nicht sein darf. Die Erfahrung zeige ihm, dass man als VfB-Fan immer leidensfähig sein müsse, sagt Kretschmann, "das Auf und Ab gehört dazu. Daran bin ich lange gewöhnt".

Warum die Situation nun aber derart bedrohlich ist, erschließt sich für Kretschmann nicht. "Woher das kommt? Ich glaube, da wird zu viel hineingeheimnist", sagt er, "vermutlich war es einfach so, dass in der Vergangenheit manches nicht zusammengepasst hat." Verantwortlich dafür ist in letzter Konsequenz die Vereinsführung, an deren Spitze eine personelle Veränderung bevorsteht.

Die Amtsperiode des Präsidenten Erwin Staudt endet in diesem Jahr. Dass er auf der nächsten Mitgliederversammlung wiedergewählt wird, ist äußerst unwahrscheinlich. Ob er dazu eine Meinung habe, wird Kretschmann gefragt. Nein, das habe er nicht, antwortet er, "aber wenn ich eine hätte, würde ich sie auch für mich behalten". Der Politiker hat gesprochen und verabschiedet sich. Der Mann am Klavier spielt unterdessen weiter.