Trockenheit oder zu viel Regen machen den Landwirten zu schaffen. Die Gentechnik könnte Pflanzen widerstandsfähiger machen, weshalb die EU eine Lockerung der Regeln plant. Umweltschützer sind alarmiert.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Die Landwirte leiden in diesem Jahr unter extremen Wetterbedingungen. War es in Deutschland Anfang Juli deutlich zu heiß und zu trocken, beklagen die Bauern nun die seit vielen Tagen anhaltenden, ungewöhnlich hohen Niederschläge. Die Stimmung unter den Betroffenen ist inzwischen überaus angespannt, die Diskussionen werden hitziger und die Forderungen nach Lösungen lauter, zumal alles darauf hindeutet, dass solche Wetterlagen in Zukunft häufiger auftreten werden.

 

Als einen Ausweg aus dieser Misere sehen viele Landwirte zumindest in der Pflanzenzüchtung die neue Gentechnologie (NGT). Die Landwirtschaft stelle sich seit Jahren auf die sich verändernden klimatischen Bedingungen ein, heißt es dazu vom Deutschen Bauernverband, doch die Landwirte fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. „Es wäre hilfreich, wenn Teile der Politik ihre ideologischen Scheuklappen bei den Themen Pflanzenschutzmittel und neue Züchtungsmethoden ablegen würden,“ kritisiert Generalsekretär Bernhard Krüsken am Freitag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Umweltministerin mit deutlicher Meinung

Die Haltung im Bundesumweltministerium dazu ist allerdings sehr deutlich. „Die Gentechnik hat in ihrer Geschichte noch keinen wesentlichen Beitrag zur Ernährungssicherheit geleistet“, schreibt Ministerin Steffi Lemke auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Und weiter: „Ihr gesellschaftlicher Nutzen wird in der Theorie oft behauptet, aber in der Praxis zielt die Gentechnik auf Patente und Profite.“ Das wollen die Befürworter der Gentechnik allerdings nicht unwidersprochen stehenlassen. Sie erreichen, dass unter dem Post der Ministerin ein Hinweis veröffentlicht wird, dass diese Aussage wissenschaftlich nicht haltbar sei. Dort zu lesen ist: „161 Nobelpreisträger stimmen darin überein, dass gentechnisch modifizierte Nutzpflanzen einen signifikanten Anteil zur Versorgungssicherheit beitragen haben und in Zukunft auch werden.“

Aber selbst die Bundesregierung ist bei dem Thema gespalten. Die FDP setzt sich für den Einsatz und die weitere Erforschung moderner Methoden der NGT ein. „Durch die Neuen Züchtungstechniken halten wir den Schlüssel zur Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit in der Hand“, betonte Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger jüngst am Rande einer Tagung in Brüssel. „Wir können auf die Nahrungsmittelbedarfe einer steigenden Weltbevölkerung reagieren und unsere Nutzpflanzen besser und schneller an den Klimawandel anpassen.“ Die rasante technische Entwicklung werde durch die bisherigen EU-Regulierungen nicht mehr abgebildet und müssten aus diesem Grund auf den neusten Stand gebracht werden, forderte die FDP-Politikerin.

Die EU-Kommission will die Regeln lockern

Auch die EU-Kommission ist der Überzeugung, dass die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Gentechnik in Europa nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen und aus diesem Grund gelockert werden sollten.

Die EU-Gesetzgebung ist beim Thema Gentechnik bislang streng und verbietet diese weitgehend, wenn es um die Produktion von Nahrungsmitteln für den menschlichen Verzehr geht. Die Kommission verweist nun auf Studien, die ergeben hätten, dass Neue Genomische Verfahren „zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem“ beitragen könnten. Anders als bei älteren Methoden, bei denen fremdes Erbgut in die Pflanzen gegeben wurde, geht es dabei um kleinere und präzisere Genveränderung der Pflanze.

Klimawandel und Umweltschutz im Blick

Den Kommissionsplänen zufolge soll die bestehende Kennzeichnungspflicht für genetisch veränderte Pflanzen wegfallen, wenn diese auch durch eine natürliche Kreuzung hätten entstehen können. Diese Pflanzen werden demnach mit konventionellen Pflanzen gleichgesetzt. Oftmals seien die genetischen Veränderungen der NGT-Pflanzen ohnehin nicht nachweisbar, erklärte die Behörde. Sie hat dabei auch den Klimawandel und möglichen Umweltschutz im Blick: Etwa könnte es Pflanzen geben, die weniger Pestizide und weniger Wasser brauchen.

Für andere NGT-Sorten würden weiterhin strengere Regeln gelten. Sie müssten wie bisher gekennzeichnet und einer Risikobewertung unterzogen werden. Die Gegner der neuen Gentechnik sind angesichts der geplanten Lockerungen entsetzt. Der agrarpolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Martin Häusling, kritisierte die Pläne als Verbrauchertäuschung. „Völlig unwissenschaftlich und willkürlich werden hier gentechnisch veränderte Organismen natürlichen oder konventionell gezüchteten gleichgesetzt“, so der Politiker und spottet angesichts der gemachten Versprechungen von „Märchen den Gentechnik-Industrie“.

Die Umweltschützer sind empört

Derzeit liegen in Brüssel rund 90 Anträge auf Zulassung von NGT-Pflanzen vor. Ein Drittel davon befindet sich in fortgeschrittenen Forschungsstadien. Maispflanzen in Belgien und Kartoffeln in Schweden werden bereits auf den Feldern getestet. Kommerzielle Produkte gibt es derzeit auf dem EU-Markt noch nicht. Es sei auch nicht zu erwarten, dass in kurzer Zeit viele neue NGT-Sorten auf den Markt drängten, heißt es aus Brüssel. Wann es die ersten Produkte für Verbraucherinnen und Verbraucher zu kaufen gebe, sei nicht absehbar.