Die EU-Kommission präsentiert ihre Pläne für eine Überarbeitung der europäischen Gentechnikregeln. Nun ist ein Kampf über die Deutungshoheit entbrannt

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Im ausgeklügelten Ablauf der Brüsseler Gesetzgebungsmaschinerie schlagen die Emotionen eher selten hoch. Doch nun hat die EU-Kommission ein heißes Eisen angefasst. Sie will die bisher sehr eng gefassten Regeln beim Einsatz von Gentechnik in Lebensmitteln lockern. Die Empörung bei Umweltschützern und der Biobranche ist groß. Viele Wissenschaftler sprechen dagegen von einem längst überfälligen Schritt. Das sei ein „Schlag ins Gesicht für Verbraucher und Biolandwirte“, sagt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament. Die Menschen würden nicht mehr erfahren, „ob sie gentechnisch veränderte Lebensmittel auf dem Acker oder Teller haben“. Er stößt sich daran, dass etwa Verfahren wie die Crispr/Cas-Genschere keinen EU-Gentechnikregeln unterliegen würden und damit auch nicht mehr gekennzeichnet werden müssten.

 

Die Forderung Martin Häuslings lautet: „Auch die sogenannte Neue Gentechnik muss dem geltenden Recht unterstellt bleiben.“ Er zweifelt grundsätzlich an den Aussagen vor allem der Industrie, denn die neuen gentechnischen Verfahren „werfen viele Fragen bezüglich ihrer Sicherheit auf“. Zudem seien die Versprechen der Pestizidreduktion oder der besseren Klimaresilienz bisher nirgendwo wissenschaftlich nachweisbar eingelöst worden. „Von den trocken- und dürretoleranten Sorten, die seit 20 Jahren versprochen werden, ist weit und breit keine Spur“, sagt der Grünen-Politiker.

Die Grünen äußern sich skeptisch, die FDP signalisiert Unterstützung

Der Streit um diese neuen Züchtungstechniken zieht sich auch durch die Bundesregierung. Das von den Grünen geführte Bundesumweltministerium hat sich in der Vergangenheit sehr skeptisch zu Lockerungen der Gentechnikregeln geäußert. Dagegen signalisierte das von der FDP geführte Bundesforschungsministerium grundsätzliche Unterstützung. „Durch die Neuen Züchtungstechniken halten wir den Schlüssel zur Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit in der Hand“, betonte Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger am Rande einer Tagung in Brüssel. „Wir können auf die Nahrungsmittelbedarfe einer steigenden Weltbevölkerung reagieren und unsere Nutzpflanzen besser und schneller an den Klimawandel anpassen.“ Die rasante technische Entwicklung werde durch die bisherigen EU-Regulierungen nicht mehr abgebildet und müssten aus diesem Grund auf den neusten Stand gebracht werden, forderte die FDP-Politikerin.

Große Konzerne könnten sich ihre Züchtungen patentieren lassen

Unterstützung erhält sie vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, der in einer Mitteilung für die Lockerung der bisherigen EU-Regelung plädiert, „die den wissenschaftlichen Erkenntnissen und neuesten Entwicklungen in der Pflanzenzüchtung sinnvoll Rechnung trägt“. Der Verband lenkt den Blick dann aber auf ein anderes Problem. Denn es könnte sein, dass große Konzerne sich in Zukunft ihre Züchtungen patentieren lassen können. „Es muss eine schnelle, rechtsverbindliche Lösung geschaffen werden, nach der biologisches Material, das auch in der Natur vorkommen oder entstehen könnte, nicht patentiert werden kann – unabhängig davon, wie es hergestellt wurde“, fordert Carl-Stephan Schäfer, Geschäftsführer des Verbandes.

In diesem Punkt sind sich Gegner und Befürworter der neuen Züchtungstechniken einig. Es müsse verhindert werden, dass wenige multinationale Unternehmen über die Patentregelung die Kontrolle über einen Großteil der Lebensmittelproduktion erhalten.