Die Ludwigsburger Verwaltung und eine große Mehrheit im Ratsgremium hat das Klimaneutralitätskonzept auf den Weg gebracht. Zudem will die Stadt an einem Wettbewerb des Umweltministeriums teilnehmen.

Ein deutlicheres Zeichen pro Klimaschutz hätten die Ludwigsburger Stadträte in ihrer Weihnachtssitzung nicht setzen können. Bis 2035 will die Barockstadt klimaneutral sein und sich deshalb auch am Wettbewerb des Umweltministeriums des Landes „Auf dem Weg zur Klimaneutralität“ beteiligen. Der Antrag ist bereits eingereicht, da die Bewerbungsfrist am 31. Oktober endete, das grüne Licht des Ratsgremiums fehlte bislang aber noch. Und das gab es dann am Donnerstagabend. Nur Claus-Dieter Meyer (CDU) sowie Jochen Eisele, Sebastian Haag, und Johann Heer – allesamt FDP – votierten gegen den Antrag der Verwaltung. Stefanie Knecht (FDP) enthielt sich.

 

Das Konzept ist kein Selbstläufer

Tenor der Kritiker: Ja, man muss die Anstrengung in Sachen Klimaschutz verstärken, aber das geht auch ohne die Teilnahme an einem Wettbewerb des Landes. Zumal die Stadt schon viel mache in diesem Bereich, eine Klimaneutralität in dem vorgegebenen Zeithorizont aber nicht leistbar sei. Nicht erreichbare Ziele zu formulieren, schwäche darüber hinaus die politische Glaubwürdigkeit der Stadt.

Die große Mehrheit des Gremiums sah es anders. Ebenso wie die ungewöhnlich vielen Zuhörer. Vor der Sitzung im Kulturzentrum hatten sich Klimaaktivisten auf dem Rathausplatz zu einer Kundgebung versammelt. Da es Parteien wie die CDU, die Freien Wähler und die FDP gebe, werde ein Ja zum Klimaneutralitätskonzept kein Selbstläufer, hatte Farina Hasak von der Ludwigsburger Gruppe Fridays for Future am Vortag der Sitzung in einer E-Mail für möglichst große Präsenz geworben. Am Ende folgten dem Aufruf jedoch nur eine Handvoll Mitstreiter. Die quittierten gut drei Stunden später dann aber die Entscheidung mit viel Beifall.

Physik ist nicht verhandelbar

Zuvor hatte Anselm Laube von der Ludwigsburger Energieagentur (LEA) und Baubürgermeisterin Andrea Schwarz argumentativ noch einmal alles gegeben. Physik sei aber nun mal nicht verhandelbar, mahnte Laube. Es gehe nicht darum, ob man etwas mache, sondern wie man es mache. Auch Matthias Knecht trug einen flammenden Appell vor. Viele Kommunen machten sich auf den Weg, betonte der Stadtchef. Der eine setze sich 2030 zum Ziel, der andere 2040. „Wir halten für Ludwigsburg 2035 für richtig.“ Auch wenn dies nicht bedeute, dass das gesetzte Ziel dann auch erreicht werde. „Selbst wenn wir alles geben, kann es 2038 oder 2039 werden.“

Apropos andere Kommunen. Der Stuttgarter Gemeinderat hat im Sommer das Ziel bei der Klimaneutralität nachgeschärft: Die Landeshauptstadt soll bereits 2035 und nicht 2050 klimaneutral sein. Ebenso wie Bietigheim-Bissingen. Dort soll der Klimaaktionsplan der Stadt entsprechend weiterentwickelt werden. Der Beschluss im Gremium wurde Ende November einstimmig gefasst. Die Entscheidung war durch knapp 3000 Unterschriften von Bürgern angestoßen worden, die einen Bürgerentscheid mittels eines Bürgerbegehrens herbeiführen wollten. Den braucht es nun nicht mehr.

„Wir rennen nicht blauäugig rein“

Die Gesamtkosten – bezogen auf den Zeithorizont 2023 bis 2035 – werden auf 2,2 Milliarden Euro geschätzt. Nach Abzug der prognostizierten Fördermittel von EU, Bund und Land bleiben an der Stadt rund 1,4 Milliarden Euro hängen. Die Teilnahme am Wettbewerb bringt zwei weitere Millionen Euro. Dennoch ist sich Baubürgermeisterin Andrea Schwarz um den Kostenfaktor bewusst. Gerade, wenn man alle städtische Gebäude klimaneutral machen wolle. „Aber wir rennen nicht blauäugig rein“, versicherte sie. Ludwigsburg könne eine Vorreiterrolle spielen und letztlich nur profitieren. Auch von der wissenschaftlichen Begleitung.

Laube lenkte den Blick auf Vorhandenes. Ludwigsburg habe bereits einen „prall gefüllten Werkzeugkasten“. Die Maßnahmen aus dem Integrierten Klimaschutz- und Energiekonzept (iKEK) habe man evaluiert. 39 Maßnahmen sollen weiter verfolgt werden, 14 Maßnahmen will man dagegen in die Schublade packen, bei 34 wird eine Aktualisierung empfohlen. „Wir wissen wie es geht, aber haben manchmal vielleicht nicht den Mut. Und klar ist: Wir brauchen jetzt große Hebel.“ Klimaschutz sei nicht nur im Lokalen zu lösen, doch ohne die lokalen Akteure gehe es nicht. „Die Zeit drängt, wir müssen von den fossilen Energieträgern wegkommen und jetzt auch in die Umsetzung kommen.“

Zum Beispiel in die Realisierung großer Solarthermie- und Fotovoltaik-Anlagen oder dem Fortführen und dem Ausbau des Klimabonus-Programmes. Seit März 2022 werden Maßnahmen gefördert, die das Ziel haben, den eigenen Treibhausgasausstoß zu reduzieren. Die Nachfrage ist groß. Zu groß. „Von den Anträgen her war das Programm deutlich überzeichnet, deshalb soll es im nächsten Jahr aufgestockt werden“, kündigte Andrea Schwarz an. Denn etwa 34 Prozent der Treibhausgas-Emissionen entstehen im Stadtgebiet durch private Haushalte. Mit dem Klimabonus will die Stadt Eigentümer wie auch Mieter beim Umstieg auf erneuerbare Energien und bei energetischen Sanierungsmaßnahme unterstützen.

Klimaschutz wird gewünscht

Anfänge
Im Jahr 2011 wurden in Ludwigsburg erstmals in einem Energie- und Klimaschutzkonzept Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bestimmt. Bis 2050 sollte damals die Klimaneutralität erreicht werden.

Unterstützung
Rund 83 Prozent der deutschen Bevölkerung sind der Meinung, dass Industriestaaten wie Deutschland in der Pflicht sind, beim Klimaschutz voranzugehen. In Ludwigsburg sind es laut einer McKinsey-Bürgerbefragung 55 Prozent. Nach einer Studie der Evangelischen Hochschule sind es sogar fast 80 Prozent.