Die Spitzen der Landesregierung beschäftigen sich noch mit Detailfragen, am Dieselfahrverbot ändert das aber nichts mehr.

Stuttgart - In der Landesregierung laufen die finalen Abstimmungsgespräche zum stadtweiten Diesel-Fahrverbot, das voraussichtlich ab Januar 2019 in Stuttgart gelten soll. „Es gibt letzte offene Fragen, aber wir werden uns einigen. Ich lege größten Wert auf Geschlossenheit“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag vor der Presse, und meinte damit den Koalitionspartner CDU. Die Christdemokraten wollen weitgehende Ausnahmen verhandeln. Größter Gegner für die grün-schwarze Koalition bleibt die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die mit ihrer Klage auf Fahrverbote wegen zu hoher Stickstoffdioxidbelastung Erfolg hatte. „Dieser erste Schritt reicht absolut nicht aus“, so DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er fordert sofort streckenbezogene Verbote für Euro-5-Diesel. Wer wird vom Verbot betroffen sein?

 

Die Landesregierung plant ein stadtweites Fahrverbot in zwei Stufen. Zunächst sollen, voraussichtlich vom 1. Januar 2019 an Diesel bis einschließlich Euronorm 4 damit belegt werden. Eine Überraschung gibt es: „Benziner fahren weiter und werden völlig ausgenommen“, teilte das Staatsministerium am Abend mit. Bisher sollten auch Benziner bis Euro 2 betroffen sein, in Stuttgart gibt es davon 22 000.

Um wie viele Fahrzeuge geht es?

Allein in Stuttgart gibt es nach den jüngsten Daten der Stadt insgesamt 27 000 Diesel bis einschließlich Euronorm 4. Nimmt man die fünf Landkreise in der Region dazu, summiert sich die Zahl der mit Fahrverbot in Stuttgart belegten Dieselautos auf insgesamt 188 000.

Was bringt das Fahrverbot zur Luftreinhaltung?

Das Land hat die Wirkung von der Firma Aviso berechnen lassen. In dem 22 Seiten starken Gutachten, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es, dass die Stickstoffdioxidbelastung in der ersten Stufe am Neckartor 2019 auf einen Jahresmittelwert von 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gesenkt werden könnte.

Reicht die Minderung aus?

Gemessen am EU-Grenzwert, der bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid liegt, würden 60 Mikrogramm noch immer 50 Prozent über dem Grenzwert liegen. In der zweiten Fahrverbotsstufe, die 2020 folgen könnte, wären auch Diesel mit Euro 5 betroffen, in Stuttgart fast 29 000 Autos, in der Region mit Stuttgart nach Daten der Kfz-Innung rund 180 000. Dürften auch sie nicht fahren, rechnet Aviso für 2020 mit 48 Mikrogramm Stickstoffdioxid.

Was fordert die Umwelthilfe?

„Wir wollen ein stadtweites Verbot für Euro-5-Diesel ab dem 1. September 2019“, sagt Jürgen Resch. Dann, so seine Argumentation, könnten Halter gegen die Hersteller auf Rücknahme der Fahrzeuge klagen. „Hier wurde betrogen, wir bleiben hart“, so Resch. Wegen der Klage der EU-Kommission zur Grenzwertüberschreitung könne es sich die Regierung „nicht leisten, auf Zeit zu spielen“.

Warum gibt es die Abstufung überhaupt?

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hingewiesen. Euro-5-Fahrzeuge sind vergleichsweise jung, ihr Wert ist noch hoch. Daher, so das Urteil, dürften sie nicht vor dem 1. September 2019 mit dem Verbot belegt werden.

Gibt es Ausnahmen?

Ja, wie schon bei den Plaketten wird es Ausnahmegenehmigungen geben. Sie müssen beantragt werden und sollen generell für Handwerker und Lieferanten gelten.

Was ist mit den Anwohnern?

Die CDU hätte gerne auch Anwohner in Stuttgart von einem Fahrverbot ausgenommen. Damit würde dieses allerdings ad absurdum geführt. Bei der Berechnung der Schadstoffrückgänge wurden Ausnahmen für maximal 20 Prozent einkalkuliert.

Kann man nachrüsten?

Bisher nicht. Zulieferer haben Nachrüstsätze entwickelt, mit denen Fahrzeuge auf die Euronorm 6 gebracht werden könnten. Doch dagegen sperren sich die Hersteller und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Die Landesregierung will sich laut Kretschmann weiter um eine Nachrüstung bemühen. Eine Förderung des Landes schließt er aus.

Was ist mit der Klage von Anwohnern?

Anwohner des Neckartores hatten in einem Vergleich mit dem Land erreicht, dass die Verkehrsmenge an der Messstelle an Tagen mit Feinstaubalarmwetter um 20 Prozent sinken soll. Der Vergleich ist unabhängig vom stadtweiten Fahrverbot. Das Land scheint nicht gewillt, ihn umzusetzen. Am Donnerstag gibt es ein Gespräch im Verwaltungsgericht. Weigert das Land sich, wird Richter Wolfgang Kern wahrscheinlich ein Zwangsgeld von 10 000 Euro gegen das Land aussprechen. Weitere 10 000 Euro hat die DUH beantragt. Anwalt Roland Kugler, der die privaten Kläger vertritt, will über eine separate Busspur auf der Cannstatter Straße sprechen. Sollte das Land dort je eine der drei Fahrbahnen für Busse reservieren, könne man über das Zwangsgeld sprechen, so der Anwalt.