Die im Entwurf zum Lufreinhalteplan enthaltenen Regelungen sollen Bestand haben. Im Einzelfall können gegen Gebühr wie bei der Plakettenregelung Erleichterungen beantragt werden.

Stuttgart - In den nächsten Monaten muss das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) den Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt fortschreiben und dabei das Leipziger Fahrverbots-Urteil berücksichtigen. Es trifft laut Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) noch in diesem Jahr in der ganzen Stadt zunächst Dieselfahrzeuge bis einschließlich Euro 4 und Benziner bis Euro 2, in der zweiten Stufe, voraussichtlich ab dem 1. September 2019, Diesel mit Euronorm 5.

 

Unangetastet bleiben soll im neuen Luftreinhalteplan die Liste der Ausnahmen von diesem neuen, mit Schildern und nicht mit Plaketten geregelten Verkehrsverbot. Diese Ausnahmen galten teils schon bei der Einführung der Grünen Plakette, der Katalog sei nun aber „weitergehend als bisher“, so ein Sprecher des Verkehrsministeriums. „Wir berücksichtigen relevante wirtschaftliche und soziale Belange, im Rahmen der Umweltzonen sind Ausnahmen bereits jahrelange Verwaltungspraxis“, so Hermann.

Aktuell noch 143 Ausnahmen

Tatsächlich seien seit der ersten Plakettenpflicht im März 2008 über die in der Bundesimmissionsschutzverordnung und der Straßenverkehrsordnung geregelten Befreiungen hinaus bisher rund 18 550 Ausnahmegenehmigungen erteilt worden.

Allerdings gebe es bei der jährlich nötigen neuen Beantragung oft die gleichen Antragsteller, zum Beispiel Besitzer älterer Wohnmobile und Schaustellerfahrzeuge. 2012, mit der Einführung der Grünen Plakette, gab es 4880 Ausnahmegenehmigungen in der Stadt, im Februar 2015 noch 419. Im vergangenen Jahr wurden vom Amt für öffentliche Ordnung in der Eberhardstraße 35 nur noch 143 Ausnahmegenehmigungen erteilt. Die Bescheinigungen kosten je nach Aufwand 53, in den meisten Fällen 80, aber auch bis zu 106 Euro.

Regelung gilt bis Ende 2021

Vom Fahrverbot grundsätzlich ausgenommen werden sollen laut Ministerium Kraftfahrzeuge für den Liefer- und den Linienverkehr, Einsatz-, Hilfs- und Versorgungsfahrzeuge für den öffentlichen Nahverkehr, Quell- und Zielfahrten von Reisebussen, alle Taxen, Mietwagen zur Personenbeförderung, alle Carsharing-Fahrzeuge und Fahrten mit Wohnmobilen zu Urlaubszwecken. Allerdings sollen diese Ausnahmen längstens bis zum 31. Dezember 2021 zugelassen werden. Zu diesem Zeitpunkt wären auch die jüngsten vom Fahrverbot betroffenen Euro-5-Fahrzeuge mehr als sechs Jahre alt.

Dann folgen die generellen Ausnahmen nach der Immissionsschutzverordnung. Sie umfassen mobile Maschinen und Geräte, Arbeitsmaschinen, land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen, zwei- und dreirädrige Kraftfahrzeuge, Kranken- und Arztwagen, Fahrten von Menschen, die ein „aG“, „H“ oder „BI“ im Schwerbehindertenausweis stehen haben, alle Fahrzeuge mit Sonderrechten nach der Straßenverkehrsordnung, also Polizei, Bundeswehr und Feuerwehr, Katastrophenschutz, Zoll, Rettungsdienst, die Fahrzeuge zum Bau und zur Unterhaltung von Straßen und die Müllabfuhr.

Einzelinteressen berücksichtigt

Den Motor anwerfen dürfen auch alle Nato-Verbündeten und Verbündete darüber hinaus „im Rahmen der militärischen Zusammenarbeit“. Für Zivilfahrzeuge der Bundeswehr und Oldtimer, die ein H-Kennzeichen tragen, gilt auch freie Fahrt, ebenfalls für viele Spezialfahrzeuge (zum Beispiel Kräne und Messwagen). Auch Einzelinteressen sollen bei den Ausnahmen berücksichtigt werden. Zum Beispiel Arztbesuche von Dialysepatienten, von Schichtdienstlern, die keine Bus- und Bahnalternative haben, für die Belieferung von Baustellen, für das Liefern von Waren für die Produktion und den Güterversand. Ausnahmen vom Fahrverbot können auch erteilt werden, wenn bei Gewerbetreibenden die Existenz gefährdet würde.

Auch am zweiten Tag nach dem Leipziger Urteilsspruch gab es Stimmen, die ein Fahrverbot für abwendbar halten oder fordern, das Urteil des höchsten Verwaltungsgerichts in Deutschland einfach zu ignorieren, also zum Rechtsbruch aufforderten.

CDU-Wirtschaftrat liest Urteil ganz anders

Joachim Rudolf, Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrats im Land sowie Stadtrat, sagte, es bestehe „keinerlei rechtliche Verpflichtung“, das Fahrverbot zu verhängen. Das Gericht hat im Urteil das Gegenteil festgestellt. Der Zeitraum der Grenzwertüberschreitungen sei „so kurz wie möglich zu halten“ und Verkehrsverbote seien dann nötig, wenn sie sich dazu als einzig geeignete Maßnahme erwiesen. Damit wurde das Verwaltungsgericht Stuttgart bestätigt.

Die CDU-Europaabgeordneten Norbert Lins und Daniel Caspary fordern, Messstationen an anderen Stellen aufzustellen. Dann könnten sich geringere Schadstoffmengen ergeben. So argumentierte auch die AfD im Stuttgarter Gemeinderat. Mit einer Station am Schlossgarten gewonnene Daten könnten „besser ausgewertet werden“. Die Landesregierung hatte mehrfach erklärt, dass der Standort der Station am Neckartor regelkonform sei und Überschreitungen der Stickstoffdioxid-Grenzwerte nicht nur dort gemessen werden.