John Patrick war zehn Jahre lang erfolgreicher Trainer in der Bundesliga. In Japan knüpft er an die Erfolge an – aber nicht nur das.
Wenn John Patrick diesen Sommer im Burgerrestaurant Kullmann’s in Ludwigsburg sitzt und einen Espresso trinkt, ist alles fast wie früher, als er noch Trainer der MHP Riesen war – und nicht nur auf Heimaturlaub. Dabei wird er hin und wieder wahrgenommen, allerdings weniger als zuletzt in Japan, seiner zweiten Heimat. „Dort werde ich überall erkannt, ob auf der Straße oder bei Starbucks“, erzählt der 55-Jährige vom Alltag bei seinem Club Chiba Jets im Großraum Tokio, fügt aber hinzu: „Die Spieler natürlich noch mehr.“ Die genießen in Japan so etwas wie Kultstatus, ähnlich wie die Fußballer hier, auch wenn das Land im Basketball nicht unbedingt zur Weltspitze zählt. Sportlich betrachtet, was die Vermarktung angeht, aber durchaus.
Viele Fans sind weiblich
So bilden sich vor den Heimspielen Hunderte von Metern lange Schlangen, an denen die meist weiblichen Fans stundenlang ausharren und auf die Spieler warten, um ein Autogramm zu ergattern. „Wir haben eine riesige Abteilung, allein für Social Media, die gerade wieder mit dem ersten Preis von der Liga ausgezeichnet wurde“, berichtet Patrick. Er muss es wissen. Er spricht nicht nur die Sprache, was bei Ausländern eher selten vorkommt, seit einem Jahr arbeitet er bei den Jets – sehr erfolgreich: Das Team wurde Pokalsieger und Vizemeister. Patrick kann rundum zufrieden sein, nicht nur auf dem Parkett. „Wenn ich zwischen Deutschland und Japan entscheiden muss, ist das keine einfache Wahl, sondern fast schon ein Luxus.“ Beide Länder seien ähnlich – und doch anders. Zum einen ist es sicher und sauber wie oft auch hierzulande (Stichwort Kehrwoche), aber von der Kultur und Einstellung der Menschen gibt es doch Unterschiede. Vor allem die Höflichkeit, getreu dem Lebensmotto, das übersetzt lautet: Das Wohl des Mitmenschen steht im Vordergrund, nicht das eigene.
Das überträgt sich sogar auf das Basketballparkett, wo die Teams selbst bei Korberfolgen des Gegners zu klatschen haben – oder die Schiedsrichter explizit angewiesen werden, dem Publikum sinngemäß zu erklären: Wir sind da, um für ein gutes Spiel für die Zuschauer zu sorgen. Soll heißen: Wir brauchen die Fans in den meist ausverkauften Hallen und natürlich die Sponsoren. Wie gut die Leistungen sind? „Besser, als viele hier denken“, sagt Patrick. Wobei es natürlich in puncto Körperlichkeit und Größe gewisse Defizite gibt. Weshalb für die großen Positionen oft einer der Legionärsplätze (häufig mit Amerikanern) besetzt ist. Man dürfe nicht vergessen, so Patrick, dass ein Ausländer, der hier in der Bundesliga vielleicht eine sechsstellige Summe im Jahr kassiert, in Japan schnell auf den drei- bis fünffachen Betrag kommt. Dazu winken lukrative Werbeverträge von Kosmetik oder Modelabeln für die Stars, was die Liga lukrativ macht.
Zumal zwei Tage in der Woche trainingsfrei sind. Dafür stehen am Wochenende je zwei Spiele auf dem Programm, dazu kommt unter der Woche für die Topvereine die asiatische Champions League; zum Beispiel auf den Philippinen, wo Patricks Club vor der Rekordkulisse von 55 000 Zuschauern angetreten ist – so viel zur Basketball-begeisterung in Asien, die nun auch die Weltmeisterschaft zu spüren bekommen wird. Und an den freien Tagen stehen regelmäßig Werbetermine an. Von nichts kommt nichts. Die clubeigene PR-Abteilung leistet ganze Arbeit. „Manchmal wünsche mich mir, dass sich diesbezüglich in der Bundesliga mehr tut“, sagt Patrick.
Im Fernen Osten stimmt einfach die Mischung zwischen Erfolg und Erholung, in Ludwigsburg war das zuletzt nicht mehr so. Nach fast zehn Jahren war John Patrick zusammen mit dem Vorsitzenden und Freund Alexander Reil so etwas wie Mädchen für alles. Patrick war am Rande des Burn-outs und betont mit gewissem Abstand: „Das war einfach zu viel.“ So aber hat Patrick an das ursprünglich geplante Sabbatjahr einfach noch eine zweite Saison bei den Jets drangehängt, zumal er sich 10 000 Kilometer von Deutschland entfernt nie einsam fühlt. Nicht nur wegen der technischen Kommunikationsmittel, die fünfköpfige Familie war immer mal wieder auf Besuch und überraschenderweise auch viele Freunde und Bekannte von dem ersten Japan-Aufenthalt. „Die sind aus Amerika und Europa fast alle wieder zurückgekommen“, sagt der ehemalige Ludwigsburger Coach.
Neue Halle für den Verein
Ein Zeichen dafür, dass es sich in Japan aushalten lässt. Das Leben dort sei vergleichsweise billig geblieben, und Arbeitskräfte werden dringend gesucht. Vielleicht kommt ja noch eine Saison dazu, zumal der Verein eine neue Arena mit 10 000 Plätzen (bisher etwa 4500) plant. „Ich weiß es nicht: Man soll niemals nie sagen.“ Dazu gesellen sich eine glänzende Infrastruktur und auch gutes Essen. Apropos: Das Essen ruft. John Patrick ist zu Hause als Koch gefragt. Aber nicht für Sushi – das gibt es wieder in Japan.
WM in und mit Japan
Kader
Zum Kader der japanischen Nationalmannschaft, die bei der WM in der Gruppenphase zum Auftakt auf Deutschland trifft, zählt auch Yuki Togashi, ein nur 1,67 m großer Spielmacher von Patricks Chiba Jets. Dagegen fehlt NBA-Superstar Rui Hachimura, der sich voll auf die Los Angeles Lakers konzentrieren will, bei denen er für einen Dreijahresvertrag 50 Millionen Dollar erhalten haben soll. „Das ist ein herber Verlust“, sagt John Patrick.
Spielort
Dennoch: „Es wird für Deutschland nicht ganz so leicht“, sagt Patrick, auch wegen den Heimvorteils. Die Gruppe wird in Okinawa ausgetragen, zwei Flugstunden südlich von Tokio, wo es sehr heiß sei und eine hohe Luftfeuchtigkeit herrsche. Zudem lebten dort nach wie vor viele Amerikaner, weil die Region mal US-Luftwaffenstützpunkt war. „Aber Deutschland hat mit Schröder oder den Wagner-Brüdern Spieler mit All-Star-Kaliber.“