Ein Surren und eine juckende Quaddel an der Haut signalisieren: Stechmücken sind wieder aktiv. Exotische Arten wie die Asiatische Tigermücke können gefährliche Erreger wie das West-Nil-Virus übertragen. Ein Überblick über die Verbreitung und Gefährdungslage in Deutschland.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Auch in diesem Jahr sind von heimischen Mücken übertragene West-Nil-Infektionen in Deutschland erfasst worden.

 

West-Nil-Virus im Jahr 2023

Bislang seien vier solche Ansteckungen mit dem Virus nachgewiesen, teilt das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin mit. Zwei der Betroffenen hätten sich wahrscheinlich in Sachsen-Anhalt infiziert, die beiden anderen in Berlin und Thüringen. Es sei aber davon auszugehen, dass die Menschen sich durch den Stich einer infizierten heimischen Mücke angesteckt hätten, so das RKI.

West-Nil-Virus in den Jahren 2022/2021

2022 waren den RKI-Daten zufolge 17 hierzulande erworbene West-Nil-Infektionen bei Menschen nachgewiesen worden, 2021 insgesamt vier Fälle. Da eine Infektion in etwa 80 Prozent der Fälle ohne Symptome verläuft, wird sie oft gar nicht erkannt. Die Dunkelziffer nicht erfasster Fälle ist entsprechend hoch. Bei knapp 20 Prozent gibt es dem RKI zufolge milde, unspezifische Symptome wie Fieber oder Hautausschlag. Auch diese bleiben häufig unbeachtet.

West-Nil-Virus in den Jahren 2019/2020

2019 hatte das RKI erstmals Infektionen mit dem ursprünglich aus Afrika stammenden West-Nil-Virus bei erkrankten Menschen in Deutschland erfasst, die auf eine solche Übertragung durch heimische Mücken zurückgingen.

Weil der Erreger in Stechmücken in Deutschland überwintern kann, rechnen Experten mit zunehmenden Fallzahlen bis hin zu größeren saisonalen Erkrankungswellen. In süd- und südosteuropäischen Ländern gibt es schon seit Jahren solche Ausbrüche.

Krankheitsverlauf beim West-Nil-Virus

Das Virus infiziert hauptsächlich Vögel, kann aber auch auf Menschen, Pferde und andere Säugetiere übergehen. Foto: Imago/agefotostock

Schwerere und tödliche Verläufe betreffen meist ältere Menschen mit Vorerkrankungen. Nur etwa ein Prozent der Infektionen führen zu solchen schweren neuro-invasiven Erkrankungen.

Nur bei einem Teil der Schwererkrankten tritt eine Hirnhautentzündung (Meningitis) auf, die zudem meist gutartig verläuft. In seltenen Fällen entwickelt sich eine Enzephalitis (Entzündung des gesamten Gehirn-Gewebes oder Teilen davon), die Spätfolgen nach sich ziehen kann, eine Entzündung des Herzens oder eine Entzündung der Leber.

Da Tests und damit gesicherte Nachweise meist nur bei solchen Verläufen erfolgen, wenn überhaupt, ist für Deutschland schon von einer sehr hohen Zahl jährlicher durch heimische Mücken übertragener Infektionen auszugehen.

Verbreitung des West-Nil-Virus

In einem Reagenzglas gefangene Mücken. Foto: Imago/agefotostock

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass heimische Stechmücken den Erreger des West-Nil-Fiebers übertragen können. Der Osten ist neben Bayern Hot-Spot für die Verbreitung. „Warum, wissen wir noch nicht“, erklärt e Doreen Werner, Biologin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Betroffen seien Thüringen, Sachsen Anhalt, Sachsen und Brandenburg.

Ursprünglich kommt das West-Nil-Virus vor allem in wärmeren Regionen der Erde vor. Wissenschaftler des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) hatten allerdings heimische Hausmücken bereits als Überträger des Erregers identifiziert. Das Virus kann in Stechmücken überwintern. „Je wärmer es dann wird, umso besser können sich die Krankheitserreger weiterentwickeln“, erläutert Doreen Werner.

Gefährdung durch den West-Nil-Virus

Eine Infektion kann zu einer Meningitis oder Enzephalitis führen. Foto: Imago/agefotostock

„Grundsätzlich bei jedem Mückenstich Sorge zu haben, ist im Moment sicher übertrieben“, betont der Tropenmediziner Tomas Jelinek. Das West-Nil-Virus sei „eine ernstzunehmende Krankheit, aber man muss kein massenhaftes Auftreten in Deutschland erwarten“. Allerdings sei es durchaus wahrscheinlich, dass es in Zukunft auch hierzulande zu kleineren West-Nil-Ausbrüchen kommen werde.

West-Nil-Fieber wird dem RKI zufolge symptomatisch behandelt. Es gibt keine spezifische antivirale Therapie.

Klimawandel und West-Nil-Virus

Das West-Nil-Virus ist ein seit 1937 bekanntes behülltes RNA-Virus des Typs ss(+)-RNA aus der Familie Flaviviridae, das sowohl in tropischen als auch in gemäßigten Gebieten vorkommt. Foto: Imago/UIG/BSIP

Bei der Verbreitung von Viren über Mücken spielt auch der Klimawandel eine Rolle. „Die Klimaveränderung führt dazu, dass sich die Erreger in den Mücken besser vermehren können. Zentraler Dreh und Angelpunkt ist aber die zunehmende Globalisierung“, schätzt Werner ein. Exotische Mückenarten können sich zum Beispiel über den Warenhandel von Kontinent zu Kontinent verbreiten, etwa die Asiatische Tigermücke mit dem weltweiten Gebrauchtreifenhandel.

Die Eier reisten in den Reifen als blinde Passagiere, erklärt die Mückenexpertin. Wenn diese mit Wasser benetzt werden, schlüpfen die Larven. Gute Entwicklungsmöglichkeiten am Zielort könnten zur Ansiedlung führen. Aber auch den Campingtourismus aus Südeuropa führt Werner als Verbreitungsmöglichkeit an.

Mücken als Überträger des West-Nil-Virus

Ein Moskito saugt Blut aus dem Arm eines Menschen. Foto: Imago/Yay Images

Exotische Mückenarten wie die Asiatische Tigermücke oder die Japanische Buschmücke sind seit langem als Überträger von Krankheitserregern bekannt, etwa dem Zika-, Dengue- oder Chikungunya-Virus. Am Zalf untersuchen Wissenschaftler die Verbreitung der eingeschleppten Mücken in Deutschland und die Frage, ob diese auch hierzulande Krankheitserreger übertragen können.

Damit das passiert, also etwa eine Tigermücke den Erreger einer Tropenkrankheit verbreitet, muss sie zunächst mit infizierten Reiserückkehrern zusammentreffen, erklärt Doreen Werner. Dazu müssten Mücke und Virus kompatibel sein. Das Virus müsse sich in der Mücke weiterentwickeln können. Die Wahrscheinlichkeit sei gering, aber nicht mehr bei Null.

Info: Mückenstiche

Warum stechen Mücken?
Es stechen nur die Mückenweibchen. Sie benötigen ein bestimmtes Eiweiß, das sich in unserem Blut befindet, um nach der Befruchtung Eier zu bilden.

Was geschieht, wenn eine Mücke zusticht?
Nicht alle Mücken sind mit Erregern infiziert. Laut Deutschem Mückenatlas, einem bundesweiten wissenschaftlichem Mitmachprojekt des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) und des Instituts für Infektionsmedizin (IMED) der Universität Kiel, können sich die Mückenweibchen erst beim Blutsaugen an einem Wirt anstecken, der Krankheitserreger in sich trägt. Beim nächsten Saugakt können sie die Erreger weitergeben.

Warum jucken Mückenstiche?
Das liegt nach Aussage des Dermatologen Martin Metz vom Institut für Allergieforschung der Berliner Charité daran, dass Mücken beim Stechen Speichel abgeben, dessen Proteine in unserem Körper bestimmte Abwehrzellen aktivieren. Diese Zellen setzen unter anderem den Botenstoff Histamin frei. Der wiederum dockt an Stellen im umliegenden Gewebe an und reizt die in der Haut liegenden Enden von Nervenfasern.