Mindestens fünf Linien sollen vom Dezember 2016 an betrieben werden. Bei dreien ist der Flughafen das Ziel: von Leonberg, Kirchheim und Esslingen aus. Die Verbindungen sollen den Straßen- und S-Bahn-Verkehr in Stuttgart entlasten.
Stuttgart - Der regionale Verkehrsausschuss hat am Mittwoch erste konkrete Schritte zu einem neuen Verkehrsangebot in der Region Stuttgart unternommen. Mit großer Mehrheit, es gab nur eine Enthaltung der Linken, stimmten die Regionalräte für den Aufbau eines Expressbussystems und beauftragten den Verband Region Stuttgart, auf mindestens fünf Linien den Betrieb vorzubereiten. Welche das sein werden, wird bis Ende Juli untersucht und dann entschieden. In der engeren Wahl sind die Verbindungen Leonberg –Flughafen, Esslingen–Flughafen, Kirchheim/Teck–Flughafen, Renningen–Vaihingen/Enz, Ludwigsburg–Fellbach und Göppingen–Kirchheim/Teck. Laufen weitere Vorarbeiten und vor allem die europaweite Ausschreibung planmäßig ab, dann werden die ersten Busse nach dem Fahrplanwechsel im Dezember 2016 fahren.
Die Region ist bis jetzt nur für den S-Bahn-Verkehr zuständig. Erst mit dem Anfang Februar beschlossenen ÖPNV-Pakt zwischen dem Land Baden-Württemberg, der Region, den Kreisen und der Stadt Stuttgart bekam der Verband Region Stuttgart die neue Aufgabe übertragen, ein Expressbussystem aufzubauen. Damit sind Verbindungen zwischen großen Städten, Firmen mit vielen Beschäftigten und stark nachgefragten Zielen über Kreisgrenzen hinweg gemeint, die bisher von der S-Bahn nicht oder nur über den Umweg Stuttgarter Hauptbahnhof erschlossen werden. Diese tangentialen Busverbindungen zwischen den S-Bahn-Ästen haben auch das Ziel, die Stadt Stuttgart zu entlasten – sowohl beim Straßen- als auch beim S-Bahn-Verkehr. Die Busse, die einen eigenen Namen (erster Vorschlag: Rex) bekommen sollen, machen an wenigen Haltestellen Station und sollen durch Ampelschaltungen und eigene Spuren bevorzugt werden.
Einzelne Linien sollen nun konkret ausgearbeitet werden
Elf von 21 Verbindungen, die im ÖPNV-Pakt als mögliche Expressbuslinien genannt werden, hat die Region als attraktiv und rasch realisierbar ausgewählt. Neben den bereits genannten gehören dazu Waiblingen–Esslingen, Nürtingen–Flughafen, Schorndorf–Göppingen und Schorndorf–Plochingen. Ob die vom Kreis Ludwigsburg betriebene Linie Ludwigsburg–Waiblingen in das Netz aufgenommen wird, ist offen. Zusammen mit den Kreisen und Kommunen will die Region nun die einzelnen Linien konkret ausarbeiten. „Wir haben eine Priorisierung, es sind aber noch alle Optionen offen“, sagte der Verkehrsdirektor der Region, Jürgen Wurmthaler.
Alle Fraktionen im Verkehrsausschuss begrüßten das neue Angebot, nur die Linke sieht darin einen Rückzug aus dem Ausbau des schienengebundenen Nahverkehrs. „Weil die Finanzierung neuer Bahnstrecken ungewiss ist, müssen wir neue Wege gehen, um den ÖPNV auszubauen“, sagte dagegen Mark Breitenbücher von den Grünen. Die Expressbusse müssten aber auch attraktive Fahrzeiten haben. „Das wichtigste Kriterium ist, dass sie in den Hauptverkehrszeiten durchkommen, wenn Stau auf den Straßen ist.“ Für die Bevorrechtigung kann die Region die Kreise und Kommunen neuerdings finanziell unterstützen. Auch Rainer Ganske (CDU) betonte, dass die Busse „zeitlich konkurrenzfähig“ sein müssten: „Sie können nicht an jeder Milchkanne halten.“ Thomas Leipnitz (SPD) forderte, dass die Busse als Marke profiliert werden müssten und regte eine Fahrradmitnahme an. Auch Bernhard Maier (Freie Wähler) und Jochen Haußmann (FDP) begrüßten das neue Angebot, für das die Region die Zuständigkeit und die Kompetenz habe. Sie machten aber auch deutlich, dass für den finanziellen Aufwand ein Effekt herausspringen müsse. „Zehn Minuten Reisezeitgewinn sind zu wenig’“, sagte Maier, der vor zu hohen Erwartungen warnte: „Wer glaubt, er löse damit die Stauproblematik in der Region, erliegt einer Illusion“, meinte er. Kritische Stimmen löste der Umstand aus, dass gleich drei Linien zum Flughafen fahren sollen. Andererseits seien gerade die tangentialen Verkehrsverbindungen auf die Filder unzureichend, entgegnete Wurmthaler. Zudem könne am Flughafen, wo auch andere Linien enden, ein Umsteigepunkt geschaffen werden.
Busse sollen ins VVS-System integriert werden
Noch vor der Sommerpause wird der Verkehrsausschuss die Linien auswählen, die zunächst gefahren werden. Sie müssen dann veröffentlicht werden, damit sich Verkehrsunternehmen melden könnten, die die Linien ohne öffentlichen Zuschüsse betreiben. Erst nach einem Jahr kann dann die europaweit geplante Ausschreibung beginnen, in der der Verband die Rahmenbedingungen festlegt. Die Expressbusse sollen in das VVS-System integriert werden.
Wie andere Nahverkehrsangebote auch trägt sich der Betrieb nicht allein aus den Fahrgeldeinnahmen. Deshalb wird die Verkehrsumlage, die die Region bei den Kreisen Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr erhebt, steigen. Weil der Kreis Göppingen nur teilweise ins VVS-System eingebunden ist, müsste er die Expressbuslinie direkt mitfinanzieren.