Üppige Gewerbesteuereinnahmen lassen in der Autometropole Neckarsulm die Kassen klingeln. Als nächstes will die Stadt ein größeres Hotel bauen.

Neckarsulm - Nein, sagt der Neckarsulmer Oberbürgermeister Joachim Scholz, es gebe keine Konkurrenz zwischen seiner Stadt, die bei nur 26.000 Einwohnern mehr als 30.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aufweist und der angrenzenden Nachbarstadt Heilbronn mit 124.000 Einwohnern. Ja, er sei sogar froh darüber, dass das Neckarsulmer Großunternehmen Audi sich jetzt mit einer Werkserweiterung auch im Heilbronner Industriegebiet niederlässt. So bleibe man in der Region, und an die denke er auch, sagt der parteilose Rathauschef.

 

Doch die Tatsachen sprechen für sich. Neckarsulm hat sehr viel mehr Geld in der Stadtkasse als der große Nachbar, der gerade vom Regierungspräsidium angemahnt worden ist, in Zukunft sparsamer zu wirtschaften. Auch wenn schon Heilbronn zu den Reichen im Lande zählt, die Neckarsulmer können sich mehr leisten: kostenlose Parkhäuser zum Beispielen oder äußerst großzügige Investitionen in Bildungseinrichtungen. Wenn man schlaglochfrei durch die Stadt fährt, spürt man, dass hier Geld keine Rolle spielt.

Neckarsulm ist nicht nur Sitz des Autoherstellers Audi, das sich neben den Produktionsanlagen auch mit einem prächtigen "Forum" präsentiert, in Neckarsulm befinden sich die Firmensitze der Schwarz-Gruppe (Lidl) und von weiteren weltweit agierenden Firmen wie Bechtle und Kolbenschmidt nebst einer ganzen Reihe von Zulieferbetrieben. In den Gewerbegebieten schießen die neuen Fabriken und Verwaltungsbauten nur so aus dem Boden. Das Neckarsulmer Gewerbesteueraufkommen war mit 94,5 Millionen Euro nahezu gleich hoch wie das der mehr als fünfmal so großen Stadt Heilbronn. Davon konnte man 29,3 Millionen Euro den Rücklagen zuführen, die sich jetzt auf knapp 120 Millionen Euro addieren.

Geld spielt hier keine Rolle

Jetzt scheint es, als ob Neckarsulm erneut die Nase vorn hat. Heilbronn bemüht sich schon seit Jahren um Investoren für prestigeträchtige Projekte, zum Beispiel ein Hotel und ein Ärztezentrum nahe dem neuen Bildungscampus der Schwarz-Stiftung am Rande der Innenstadt. Die Hotelinvestition ist in trockenen Tüchern, eine weitere im Stadtgarten für das Kongresszentrum lagert seit Jahren im Nirwana. Jürgen Wernekinck von der WSS Projektentwicklungs GmbH in Schleswig, sagt es unverblümt: Für Investoren sind Heilbronn und Neckarsulm B-Standorte, Neckarsulm sei aber wegen der Entwicklung bei Industrie und Arbeitsplätzen "ein exzellenter". Deshalb war er jetzt als Vertreter seiner Firma vor Ort in Neckarsulm, als die Stadt in ihrem Ratssaal die Planungen für ein Viersternehotel und ein Fachärztezentrum zwischen Bahnhof und dem Deutschordensschloss präsentierte - in einer Größenordnung weit über die in Heilbronn gehegten Vorstellungen hinaus. Der Bedarf für ein hochklassiges Viersternehotel ergebe sich aus der Geschäftswelt heraus, sagt Oberbürgermeister Scholz: "Wir wissen, dass gerade größere Firmen in unserer Stadt ihre Gäste zum Übernachten teils nach Heilbronn schicken müssen."

Es könnte künftig der Fall eintreten, dass Heilbronner Firmen ihre Gäste nach Neckarsulm zum Übernachten schicken. Rund 20 bis 30 Millionen Euro sollen in das Projekt "Viersternehotel" plus einem ebenso anspruchsvollen "Boarding-House" (Apartment-Hotel) gesteckt werden, sechs bis sieben Millionen Euro in das separat daneben geplante Fachärztezentrum. Schon im Sommer konnte mit dem Bau begonnen werden.

Der krönende Abschluss

Die Projektentwickler haben eine beeindruckende Referenzliste, darunter Vorhaben im Volumen vielfach größer als das Neckarsulmer, unter anderem einen ganzen Stadtteil in Schleswig und große Hotel- und Wohnprojekte in bevorzugten Lagen der Schweiz, zum Beispiel am Vierwaldstätter See. Neckarsulm wird das erste Projekt im Süden der Bundesrepublik sein. Das Hotel wird 130 Zimmern haben, das Boarding-House 31 Wohnungen, mit Wellnessbereich und Gastronomie. Es besteht aus fünf bis sechs Gebäudeteilen, die sich kammartig zwischen dem Neckarsulmer Bahnhofsplatz und dem Karlsplatz erstrecken.

Für den Baudezernenten Klaus Grabbe ist das Vorhaben "der krönende Abschluss" der Neuordnung der westlichen Kernstadt. Die zwischen dem Deutschordensschloss und dem künftigen Hotel bestehende große Grünanlage wird in einen einzigen großen Park verwandelt, Straßenzüge werden verschwinden und neue entstehen.

Das gesamte Baugebiet ist im Besitz der Stadt, die aufgelassenen Straßenflächen werden als Bauplätze "vergoldet". Schon zuvor hatte die Stadt das Bahnhofsgebäude für 356.000 Euro gekauft, das sie jetzt gerade saniert. "Damit wir die mit der Bahn anreisenden Gäste auch würdig begrüßen können", sagt OB Scholz. Die neuen Gewerbe- und Baugebiete Neckarsulms zeigen, was daraus werden kann, wenn eine Stadt Geld in die Hand nehmen kann und damit neue Erwerbsquellen schafft.

Mehr Arbeitsplätze als Einwohner

Name Die Stadt hat ihren Namen von ihrer Lage nahe der Mündung der Sulm in den Neckar. Mit mehr als 26.000 Einwohnern und rund 30.000 Arbeitsplätzen ist Neckarsulm die größte und wirtschaftlich wichtigste Stadt des Landkreises Heilbronn. Mit Heilbronn selbst ist die Stadt räumlich zusammengewachsen.

Industrie Bekannt wurde die Stadt durch das Unternehmen NSU, Mitte der 1950er Jahre der größte Zweiradproduzent der Welt. Heute ist in der Nachfolge das Neckarsulmer Audi-Werk mit rund 14.000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in der Stadt. StZ