Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Zurück zur Ursprungsfrage: Fühlt man bei „Camille“ etwas? Die Antwort: Aber ja doch, zumindest sofern man dafür nicht den intellektuellen Stimulus braucht, um die Ecke denken zu müssen. Ja, Tiemo Hauer zielt (erfolgreich) auf den Mainstream. In der besagten Dreier-Riege der „Matthias Schweighöfers des deutschen Pop“ ist allerdings er der Rock’n’Roller – vom Look her, von der Musik her, auch was seine Biografie angeht. Der Mann hat schließlich nach wenigen Monaten einen Deal mit Universal wieder aufgelöst.

 

Hauers Musik und Texte sind an andere Teile der Popkultur zumindest anschlussfähig, er singt von „Sigur Rós im Regen“ und vom „Rotebühlplatz 4, in der Linken eine Kippe, in der Rechten ein Bier“. Wer weiß, dass unter dieser Stuttgarter Adresse sowohl der Keller Klub als auch das Cro-Label Chimperator firmieren, freut sich kurz über dieses Stück Lokalpatriotismus. Die im Booklet abgedruckte Flasche Whisky lässt an manch andere Katastrophe im Stuttgarter Nachtleben denken, in dem sich Hauer offenbar auch auskennt.

So wird ein Schuh daraus

Tiemo Hauer macht vieles selbst, auf seinem Label Green Elephant Records kam kürzlich das hervorragende Album der vielversprechenden Stuttgarter Band Kids of Adelaide heraus. Wenn deren englischsprachiger Folk-Pop das eine, Hauers zeitgenössischer Songwriter-Pop das andere Ende des Klangspektrums sind, wird ein Schuh daraus.

Während sich der Schnulzensänger Philipp Poisel an seinen Vater im Geiste, konkret: an Max Herre dranhängt, versucht sich Tiemo Hauer an seinem eigenen Ding. An mancher Stelle klingt das wirklich wie ein Stuttgarter Ding.

In Musik gefasstes Spätsommergefühl

Ansonsten erinnert der Sound des Albums stark an die bereits erwähnte norddeutsche Band Echt, die in den späten Neunzigern Teenie(alb)träume in Musik fasste. Dazu: warme Klangfarben, ein aufgeräumtes Schlagzeug, Synthie-Sprenkel für den zeitgemäßen Sound. Das ist Songwriter-Pop mit Indie-Einschüben. Akzente setzen der stellenweise zweistimmige Gesang, wie ihn Hauers Stuttgarter Kollegen von Heisskalt ebenfalls kultivieren, und die Gitarren dürfen ganz selten auch mal verzerrt klingen. Dieses Album ist in Musik gefasstes Spätsommergefühl, es will beides sein: sommerliche Leichtigkeit und Herbstmelancholie. Dazu passt auch das Albumcover.

Drittens werden Vielhörer manche Phrase aus anderen Songs wiedererkennen. „Ich seh dich nicht“ beispielsweise erinnert an „Dear Darlin“ von Olly Murs, löst die Spannung aber auf kantigere Art und Weise auf. Das Intro von „Adler“ klingt wie eine eingedeutschte Version von U2s „I still haven’t found what I’m looking for“. Der Grund ist nicht, dass Tiemo Hauer ein geschickter Plagiator wäre – er bedient sich einfach aus dem Pop-Baukasten und sucht sich die Teile raus, die sich bewährt haben.

Der Rock’n’Roller unter den Schweighöfers

Zurück zur Ursprungsfrage: Fühlt man bei „Camille“ etwas? Die Antwort: Aber ja doch, zumindest sofern man dafür nicht den intellektuellen Stimulus braucht, um die Ecke denken zu müssen. Ja, Tiemo Hauer zielt (erfolgreich) auf den Mainstream. In der besagten Dreier-Riege der „Matthias Schweighöfers des deutschen Pop“ ist allerdings er der Rock’n’Roller – vom Look her, von der Musik her, auch was seine Biografie angeht. Der Mann hat schließlich nach wenigen Monaten einen Deal mit Universal wieder aufgelöst.

Hauers Musik und Texte sind an andere Teile der Popkultur zumindest anschlussfähig, er singt von „Sigur Rós im Regen“ und vom „Rotebühlplatz 4, in der Linken eine Kippe, in der Rechten ein Bier“. Wer weiß, dass unter dieser Stuttgarter Adresse sowohl der Keller Klub als auch das Cro-Label Chimperator firmieren, freut sich kurz über dieses Stück Lokalpatriotismus. Die im Booklet abgedruckte Flasche Whisky lässt an manch andere Katastrophe im Stuttgarter Nachtleben denken, in dem sich Hauer offenbar auch auskennt.

So wird ein Schuh daraus

Tiemo Hauer macht vieles selbst, auf seinem Label Green Elephant Records kam kürzlich das hervorragende Album der vielversprechenden Stuttgarter Band Kids of Adelaide heraus. Wenn deren englischsprachiger Folk-Pop das eine, Hauers zeitgenössischer Songwriter-Pop das andere Ende des Klangspektrums sind, wird ein Schuh daraus.

Während sich der Schnulzensänger Philipp Poisel an seinen Vater im Geiste, konkret: an Max Herre dranhängt, versucht sich Tiemo Hauer an seinem eigenen Ding. An mancher Stelle klingt das wirklich wie ein Stuttgarter Ding.

Der wirklich gute, weil innovative Teil findet sich abseits der 16 Songs langen regulären CD – auf der Bonus-CD mit dem Titel „Dunkle Seite“: die fünf Songs dort sind noch ein ganzes Stück orchestraler, klingen an mancher Stelle gar nach Pink Floyd. Aber sie vermeiden den Knall, den großen Aufriss, spielen mehr mit Gitarrensounds, Atmosphäre und Instrumentalparts. Es ist ein Weg, den Hauer gehen könnte, ja gehen sollte. Zumindest wenn er irgendwann nicht mehr in einem Atemzug mit Philipp Poisel und Tim Bendzko genannt werden will.

Am 14. November spielt Tiemo Hauer im LKA in Stuttgart zum Abschluss seiner Livetour. Das Album Camille samt Bonus-CD "Dunkle Seite" ist bei Green Elephant Records erschienen.