In Weissach werden Lieder von Frauen über Frauen gesungen. Dabei geht es auch um die Frage, was Weiblichkeit und Frau-Sein eigentlich bedeutet.

Eine Gruppe von Frauen, gehüllt in Kleider, Schürzen und Hauben des 18. Jahrhunderts, versammelt sich um ein Lagerfeuer, ihre Gesichter beleuchtet von den Flammen. Ihre Stimmen vermischen sich zu einem Wirrwarr immer aufsteigender Töne, gehen in einen harmonischen Singsang über.

 

Diese Szene ist einer der prägenden Momente des französischen Films „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ – und hat nicht nur viele Cineasten beeindruckt, sondern auch Eva Württemberger. Sie ist seit April Chorleiterin bei SingArt, dem Rock- und Pop-Chor der Weissacher Strudelbachchöre. Der Film habe ihr die „Stärke von Frauen unter schwierigen Bedingungen“ aufgezeigt, berichtet sie, und daran erinnert, wie sehr Frauen durch die Coronapandemie in den vergangenen zwei Jahren belastet wurden. Dem Thema – also Frausein, weibliche Stärke – nimmt sich Württemberger nun in einem neuen Chorprojekt an.

Es wird Rock, Pop, Soul und Klassik gesungen

„Frauen furioso“ heißt das Projekt, das kommende Woche startet. Der Name ist passend: Denn er erinnert nicht nur an die Filmszene, die Württemberger zum Projekt inspiriert hat, sondern macht sich auch einem Begriff aus der Musik zu eigen. Sind Noten mit dem Vermerk „furioso“ versehen, wird die entsprechende Stelle besonders rasend gespielt oder gesungen. „Frauen dürfen Leidenschaft zeigen“, erklärt Württemberger die Namensgebung. „Sie dürfen für ihre eigene Sache brennen.“

In dem neuen Projektchor werden die teilnehmenden Frauen insgesamt 19 Lieder von Frauen oder über Frauen singen. Zusammengestellt ist das Repertoire von Württemberger bereits, auf der Liste stehen etwa ein Werk von Hildegard von Bingen, „Lady Madonna“ von den Beatles oder der Song „You don’t own me“ von Lesley Gore, der unter anderem durch den Film „Der Club der Teufelinnen“ populär wurde. In der ersten Probe am kommenden Montag geht es los mit „Love Shine a Light“ von Katrina and The Waves, ein Lied, dass die Chorleiterin mit einer besonderen Frauenfigur verbindet: Krankenschwester Florence Nightingale, auch „Lady with the lamp“ genannt.

Für Württemberger ist der Projektchor aber viel mehr, als das reine Singen von Liedern von und über Frauen. „Das hat auch eine philosophische oder mystische Komponente.“ Es gehe auch darum, sich mit dem Selbstbild der Frauen zu beschäftigen, Stärke zu finden und der Frage nachzugehen: „Wer bin ich? Und wer sind wir als Gruppe?“ Für Württemberger ist dafür das Singen gerade das richtige Mittel. „Singen hat auch viel mit Selbstbehauptung zu tun“, erklärt die Chorleiterin. „Sich zu trauen, sich vorne hinzustellen“, sagt sie. „Das ist ein großer Schritt.“

Abrissbirne Corona

Ein Jahr lang wollen die Frauen gemeinsam singen, bevor das Projekt im Oktober 2023 mit einem großen Konzert zu Ende gehen soll. Diese Form eines „Projektchors“ haben Württemberger und Sigrid Mayer, erste Vorsitzende der Strudelbachchöre, ganz absichtlich gewählt. „Für Chöre war Corona echt eine Abrissbirne“, so Mayer. „Besonders für Chöre, die Miteinander gealtert sind.“

Der Männerchor in Weissach wurde bereits 2018 aufgelöst, 2020 trennte sich auch der traditionsreiche gemischte Chor, nachdem einige Mitglieder gesundheitlich angeschlagen waren. Weil Singen wegen der Tröpfchenübertragung als unsicher galt, haben sich die restlichen Weissacher Sänger per Videokonferenz zusammengeschaltet oder teils ganz pausiert. Zumal auch ganz abseits von Corona oft die Tenöre fehlen: „Es ist schwierig, Männer zum Singen zu bringen“, kommentiert Mayer schmunzelnd.

Menschen werden immer singen

Mit dem Projektchor erhofft sich der Weissacher Verein nun, wieder mehr Menschen für das Singen im Chor zu gewinnen. Der Projektrahmen von einem Jahr soll Interessierten ein festes Ziel geben, und den „harten Kern“ auch danach noch für die Chorarbeit halten. Um die Zukunft der Chöre machen sich aber weder Württemberger noch Mayer Sorgen. Erst kürzlich habe sich der offene Chor erstmals seit der Pandemie wieder im Sängerheim getroffen und gleich 20 Sängerinnen und Sänger gelockt, berichtet etwa die Vereinsvorsitzende. Und auch Württemberger ist zuversichtlich: „Miteinander singen werden die Leute immer.“

Frauen furioso startet am 12. September. Die Proben finden immer montags von 19.30 bis 21.30 Uhr im Sängerheim, Bachstraße 35, statt. Interessierte können auch noch später einsteigen, eine Anmeldung ist nicht nötig.