Er ist 26 Jahre alt, verkündet seine Kandidatur per Youtube und setzt im Wahlkampf auf Social Media: Jakob Novotny will als OB-Kandidat mehr Menschen für Politik begeistern. Er geht das ernsthaft an.

Ludwigsburg - Als am Sonntag eine Gruppe von Menschen in der Ludwigsburger Innenstadt gegen die Wohnungsmarkt-Krise demonstriert hat, war er ganz in seinem Element. Jakob Novotny will junge und ältere Menschen erreichen, die sich nicht für Politik interessieren. Er könnte bei der OB-Wahl im zweiten Wahlgang das Zünglein an der Wage werden. Diese Position will er nutzen, um Teile seines Wahlprogrammes durchzusetzen.

 

Herr Novotny, was bewegt einen 26-jährigen Studenten dazu, sich für das höchste Amt der Stadt zu bewerben?

Die Bürgermeisterwahl wird von den Bürgern entschieden. Jeder sollte das Recht haben anzutreten, es geht um einen Wettkampf der Ideen. Was ich auf die Beine gestellt habe, das könnte jeder machen. Ich unterschätze dieses Amt nicht, ich bin fähig zu delegieren und Experten zurate zu ziehen. Zudem habe ich im Studium gelernt, wissenschaftlich zu analysieren, was möglich ist und was nicht.

Sie wären als OB Chef von 2000 Mitarbeitern, müssten den Gemeinderat mit 40 Mitgliedern und die Stadtverwaltung leiten. Trauen Sie sich das zu?

Als „Bürger-Meister“ geht es um die Sorgen der Menschen. Vielleicht ist es sogar positiv, wenn ein junger Mensch mit neuen Perspektiven das Rathaus leitet. Natürlich werde ich viel lernen müssen. Ich bin mir sicher, dass dies keine Aufgabe ist, an der ich grandios scheitern würde. Vielleicht muss man den Gemeinderat auch einmal etwas in die Zange nehmen.

Wie meinen Sie das?

Ich habe das Gefühl, dass der Gemeinderat oft Entscheidungen trifft, die einen großen Teil der Menschen zurücklässt. Etwa in der Wohnbaupolitik. Wenn die Stadträte zu zögerlich sind, kann ich mir vorstellen, die Bürger zu mobilisieren, Druck aufzubauen.

Das klingt nach ziemlich viel Konflikten mit den gewählten Vertretern.

Ich möchte natürlich, dass eine konstruktive Atmosphäre im Gemeinderat herrscht. Aber mir geht es um meine Themen wie die Krise am Wohnungsmarkt, oder dass Ludwigsburg bis 2030 klimaneutral ist. Wenn es hakt, will ich das Amt nutzen, um Öffentlichkeit und Transparenz herzustellen.

Sie sind ziemlich viel im Wahlkampf unterwegs. Sie meinen das alles ernst.

Ja unbedingt, und ich konnte vor allem in den Pfingstferien, als ich nicht als Tennislehrer arbeiten musste, viele Menschen ansprechen. Natürlich muss ich viel Zeit für Organisation aufwenden, etwa um Plakate aufzustellen. Ich kann dazu nicht einfach eine Firma beauftragen.

Haben Sie Helfer im Wahlkampf?

Ich habe ein Team von 30 bis 40 Menschen, die mich unterstützen. Die Hälfte kannte ich davor gar nicht. Eine Frau aus Eglosheim, die ihre Wohnung in einem Gebäude der Baugesellschaft Flüwo verloren hat, hat mit ihrer Schwester zum Beispiel in ganz Eglosheim Prospekte verteilt. Das finde ich interessant an meiner Kampagne. Viele Bürger sind dabei, die vorher nie politisch aktiv waren. Mein politisches Vorbild ist die US-Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez, die jüngste Abgeordnete im Repräsentantenhaus.

Die Wohnungspolitik ist Ihr Hauptthema. Was würden Sie als Oberbürgermeister von Ludwigsburg denn gegen den Wohnungsmangel tun?

Wir müssen zunächst darauf schauen, was die Stadt nicht gemacht hat. Bis 2017 wurde 27 Jahre lang keine einzige Sozialwohnung errichtet. Das wissen auch viele Gemeinderäte gar nicht.

Wo sollen neue Wohnungen gebaut werden? Und wie viele?

Das ist die zentrale Frage in Ludwigsburg. Wollen wir eine Großstadt werden oder nicht? Ich würde zu dieser Frage einen Bürgerentscheid in die Wege leiten. Die Stadt ist an ihrer Wachstumsgrenze angekommen. Wir sollten nicht in die Grünzonen neue Einfamilienhäuser setzen, das geht schon wegen der Ökologie nicht. Daher müssen wir in der Innenstadt mehr in die Höhe bauen und verdichten. Aber darüber sollen dann die Bürger entscheiden.

Ludwigsburg erstickt im Verkehr. Soll dafür eine Stadtbahn gebaut werden, oder was sind Ihre Vorschläge?

Auch diese Frage soll in einem Bürgerentscheid geklärt werden. Ich richte mich nach dem Mehrheitswillen der Bürger. Das würde auch funktionieren. Ich bin davon überzeugt: Wenn man den Menschen das Gefühl gibt, mitentscheiden zu können, dann informieren sie sich auch.

Haben Sie auch eine Meinung dazu?

Klar, ich habe eine Meinung zu jedem Mist (lacht). Aber ernsthaft: Wir brauchen einen massiven Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, und er muss kostenlos werden. Wir müssen viel mehr Anreize schaffen, die das Autofahren unnötig machen.

Wie wollen Sie das bezahlen?

Wir müssen Geld investieren, um die Klimakrise abzuwenden. Das ist langfristig günstiger, als die Folgen des Klimawandels zu bezahlen. Das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.

Ihr Kämmerer wird Sie dann aber fragen: Woher soll ich das Geld nehmen?

Die Stadt besitzt viele Grundstücke, die sie einfach verkauft. Eine aktive Bodenpolitik wäre hingegen ein Schlüssel zu mehr Einnahmen, indem die Kommune dort selbst bauen würde. Und ich würde weniger Geld für Straßenbau ausgeben.

Ein aktuelles Wahlkampfthema ist die Rockfabrik, die bald schließen muss.

Das ist sehr schwierig. Die Stadt kann auf die Eigentümer zugehen. Max Maier ist Unternehmer, der will Profite machen. Dass die Grundstückspreise so stark gestiegen sind, ist ein Teil des Problems. Ich würde mich für eine Lösung einsetzen und ein Konzept erstellen, wie die Rofa langfristig attraktiver wäre.

Wie soll das aussehen?

Wir müssen alternative Kreative einbinden, die Repair-Shops betreiben oder andere Aktivitäten betreiben, das ist ein großer Trend. Wenn das alles nicht hilft, müssen wir eine neue Location für die Rockfabrik suchen, als letztes Mittel. Letztlich ist die falsche Bodenpolitik die Ursache für viele Probleme der Stadt.

Wie werden Sie sich in einem zweiten Wahlgang verhalten? Zurückziehen?

Das hängt von dem Wahlergebnis ab. Bei 40 Prozent trete ich natürlich wieder an (lacht). Sonst werde ich mit Herrn Spec und Herrn Knecht verhandeln, um ein Abkommen zu treffen. Wenn sie meine Unterstützung wollen, müssen sie mir konkrete Zusagen machen.

Zum Beispiel?

Dass es mehr Sozialwohnungen oder kostenlosen Nahverkehr gibt. Dazu äußert sich Herr Knecht nur sehr vage. Und Herr Spec verkündet ständig neue Klimazertifikate, aber tatsächlich sieht es mager aus.

Tennislehrer von der Ostalb

Biografie
Jakob Novotny ist in Aalen im Ostalbkreis geboren und aufgewachsen. Sein Vater ist Tennislehrer – und der 26-Jährige inzwischen ebenso. Seine Eltern stammen aus Tschechien. In Aalen ist Novotny aufs Gymnasium gegangen, 2014 kam er zum Studium von Sport und Politik an die Pädagogische Hochschule nach Ludwigsburg.

Politik An der Hochschule hat sich Novotny in der Fachschaft Sport engagiert und in verschiedenen Parteien mitgearbeitet. Bei den Linken war er einige Jahre lang Mitglied und hat in der sogenannten Ökologischen Plattform der Partei Umweltpolitik gemacht. Ende 2018 verließ er die Partei wieder.