Noch vor der Wahl will die Regierungskoalition die Bundesbehörden zur Offenheit verpflichten, nachdem sie es in den Jahren davor nicht wirklich eilig hatte. Kritiker bemängeln, es gehe nur um Wirtschaftsförderung – und sehen ein rechtliches Problem.
Stuttgart - Das im Koalitionsvertrag von Schwarz-Rot festgeschriebene Open-Data-Gesetz soll noch vor der Wahl verabschiedet werden. Das sagte die Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Calw/Freudenstadt, Saskia Esken, am Freitag bei einem Fachgespräch im Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW). Esken ist Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda und wird als Abgeordnete über den Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) befinden. Die Bundesregierung hat das Open-Data-Gesetz, das formell das E-Government-Gesetz von 2013 ergänzt, bereits beschlossen.
Open Data bedeutet, dass Behörden und andere staatliche Einrichtungen die von ihnen erhobenen Daten kostenlos und für jedermann ohne Antrag zur Verfügung stellen. Geodaten beispielsweise werden bereits seit 2009 nach diesem Prinzip bereitgestellt, Grundlage ist eine EU-Richtlinie.
Das vom Kabinett beschlossene Open-Data-Gesetz schreibt allen Bundesbehörden vor, nach spätestens einem Jahr alle bei ihnen erhobenen Rohdaten – nicht aber Akten oder Berichte – auf einem bundesweit einheitlichen, jederzeit erreichbaren Datenportal zum kostenfreien Abruf zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht zu erwarten, dass der Bundestag das Gesetz maßgeblich umschreibt. „Die Behörden des Bundes müssen eine Vorreiterrolle für die Bereitstellung offener Daten“ einnehmen, schreiben die Fraktionen von CDU und SPD in einem Antrag, der in der nächsten Bundestagssitzung ohne Aussprache beschlossen werden soll.
Netzpolitiker und Open-Data-Befürworter beklagen seit Jahren, dass Deutschland in diesem Bereich hinterherhinke – von Ausnahmen wie dem Stadtstaat Hamburg abgesehen, der sich 2012 ein Transparenzgesetz gab. Dass die Koalition jetzt aufs Tempo drückt, hat mit dem wirtschaftlichen Potenzial offener Daten zu tun. Eine Studie der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung prognostiziert für die kommenden zehn Jahre einen volkswirtschaftlichen Effekt von mindestens 12,1 Milliarden Euro. „Da sind Türen aufgegangen, die vorher zu waren“, sagte die SPD-Abgeordnete Esken.
Die wirtschaftlichen Potenziale von Open Data sind weitgehend unstrittig. Kritik kommt hingegen von Gewerkschaften und aus der Open-Data-Szene. Am IAW, das im Auftrag der gewerkschaftsnahen Böckler-Stiftung zu Open Data forscht, weist man auf die hohe Belastung für die Verwaltungsmitarbeiter hin. Die Open Knowledge Foundation beklagt, dass eine „konkrete Einbindung der Zivilgesellschaft bisher nicht vorgesehen“ sei – und dass es auf die Daten keinen Rechtsanspruch gebe, sondern das Gesetz vielmehr eine Selbstverpflichtung des Bundes sei. Deswegen bezeichnete der Betreiber des Blogs netzpolitik.org, Markus Beckedahl, das Open-Data-Gesetz bereits als „Luftnummer“.