Die Kassen laufen Sturm gegen das Projekt, das eine alte Forderung der Pharma-Industrie erfüllt. Sie warnen vor Mehrkosten.

Und wieder sorgt ein Vorhaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei Kassen, Ärzteschaft und Pharmaindustrie für heiße Debatten. Im Medizinforschungsgesetz, das als Referenten-Entwurf vorliegt, ist die „Einführung von Geheimpreisen für neue Arzneimittel“ geplant, wie es der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkasse polemisch formuliert.

 

Darum geht es: Bis 2011 konnten Pharmafirmen ihre Preise für neue patentgeschützte Arzneimittel frei festlegen. Da sich das als erheblicher Kostentreiber erwiesen hat, führte der Gesetzgeber dann eine Bremse ein. Nach einem Jahr der freien Preisfestlegung legt nun der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) eine Analyse vor. Auf deren Grundlage müssen die Unternehmen in Verhandlungen mit den Kassen über die Erstattungsbeträge eintreten. Der Clou: Wenn der GBA keinen Zusatznutzen des neuen Medikaments feststellt, zahlen die Kassen nur den Preis der bisherigen Standardtherapie. 2022 wurde die Frist für die freie Preisgestaltung auf ein halbes Jahr reduziert. Danach muss verhandelt werden. Die Erstattungsbeträge werden öffentlich gemacht.

Brandbrief an Mitglieder des Bundestags

Die Firmen haben argumentiert, dass die öffentlichen Erstattungsbeträge dazu führten, dass die endgültigen Preise in Deutschland höher als nötig ausfallen, denn der deutsche Preis gilt im gesamten europäischen Markt als Referenzpreis. Würde man dagegen die national ausgehandelten Preise geheim halten, könnte man den Kassen weiter entgegenkommen. Zum Erstaunen der Branche folgt Lauterbach nun dieser Argumentation und will die Möglichkeit eröffnen, Erstattungsbeträge geheim zu halten.

Krankenkassen und GBA glauben nicht an die preissenkende Wirkung und haben sich nun in einem gemeinsamen Brandbrief an Abgeordnete des Bundestags gewandt. Sie warnen vor „erhebliche Mehrausgaben durch den Wegfall bewährter Instrumente der Preisregulierung und einen massiver Bürokratieaufbau“. Die bekannten ursprünglichen Listenpreise würden dazu führen, dass „überhöhte Schaufensterpreise Anker für den Markteinstieg von Nachfolgeprodukten“ sein würden. Und die Geheimhaltung erschwere es Ärzten, bei gleicher Wirkung das günstigste Präparat zu verschreiben.

Ärzte können Wirtschaftlichkeit nicht mehr bewerten

Auch die Freude aufseiten der Pharmaverbände ist gedämpft. So sagte Dorothee Brakmann, die Hauptgeschäftsführerin von Pharma Deutschland, unserer Zeitung, das neue Instrument halte sie zwar für „grundsätzlich richtig und wichtig“. Allerdings seien „Verwaltungshürden zur Wahrung der Vertraulichkeit so hoch gesetzt, dass sich jeder Hersteller genau überlegen wird, ob er die Option nutzt.“ Sie kommt zu dem durchaus überraschenden Fazit: „Wir gehen somit davon aus, dass es bei Einzelfällen bleiben wird.“ Der Verband hadert derzeit eher mit neuen Preisbremsen, die 2022 im Gesetz zur Stabilisierung der GKV-Finanzen eingeführt worden waren.

Angesichts dieser Reaktionen ist es fraglich, ob Lauterbachs Vorhaben das parlamentarische Verfahren überstehen wird. Der CDU-Gesundheitsexperte Tino Sorge rät zur Vorsicht. Selbst die SPD-Gesundheitspolitikerin Heike Baehrens plädiert für eine äußerst sorgfältige Prüfung.

Fraglich, ob das Projekt das parlamentarische Verfahren überlebt