Mit Neugierde und dem Wissen aus Fachbüchern fing alles an. 1983 legte Reinhard Lieske eine Prüfung zum Pilzsachverständigen ab. Auch wenn es im Wald teils recht trocken war, schießen jetzt die Pilze. Damit ist der Rutesheimer ein gefragter Mann.

Große Hoffnung hat Reinhard Lieske nicht, dass er an diesem, schon sehr herbstlichen Vormittag viele Pilze im Warmbronner Wald finden wird. „Aufgrund des trockenen Sommers gab es zuletzt eher wenige, obwohl wir mitten in der Saison sind, die von September bis Oktober dauert.“ Der Regen der vergangenen Wochen habe gut getan. „Jetzt muss es noch bisschen wärmer werden, dann schießen sie aus dem Boden, das ist aber auch abhängig von der Region“, sagt der Pilzsachverständige aus Rutesheim, der mit seiner Frau zum Treffpunkt an der Büsnauer Straße gekommen ist.

 

Im Körbchen liegen die gesammelten Pilze schön luftig

Renate Lieske hat das Sammel-Körbchen schon unter den Arm geklemmt und ist bereit für den Abmarsch. In diesem Korb liegen die gesammelten Pilze, wenn es denn welche geben sollte, schön luftig. Nicht geeignet sind hingegen Plastiktüten. Darin verderben Pilze sehr schnell. Zur weiteren Ausrüstung gehören ein Messer zum Abschneiden der Funde, ein Pinsel oder eine kleine Bürste zum vorsichtigen Säubern. Hilfreich sind auch einige Papiertüten, um unbekannte Exemplare, die möglicherweise nicht essbar sind, von anderen zu trennen. Wer neugierig auf neue Arten ist, nimmt am besten eine Kamera, eine Lupe, ein Pilzbestimmungsbuch oder respektive ein Smartphone inklusive einer darauf installierten App mit. Während man bekannte Pilze einfach abschneiden kann, sollte man unbekannte, die man später noch bestimmten möchte, mit der Stielbasis herausdrehen, damit sie länger frisch bleiben. Wer sich unsicher fühlt, kann sich bei Führungen der Volkshochschule anmelden. Solche bietet auch die Deutsche Gesellschaft für Mykologie in Stuttgart an. „Diese sind in den nächsten Wochen aber alle ausgebucht, das Interesse am Pilzesammeln ist zuletzt groß geworden, während der Corona-Pandemie haben die Menschen wieder die Heimat entdeckt“, sagt Lieske, der selbst viele Jahre Kurse angeboten hat. In der Stuttgarter Markthalle gibt es immer montags von 16.30 Uhr bis 18 Uhr eine Pilzberatung. Auch dort war der Fachmann aus Rutesheim vor Corona stets aktiv. Momentan ist er eher privat unterwegs, die Pandemie hat ihn vorsichtig gemacht. Doch wenn jemand seinen Rat braucht, hilft er gerne.

So wie einer Dame, die ebenfalls im Wald anzutreffen ist und sich freut, als sie erfährt, dass Lieske ein absoluter Pilz-Kenner ist. Mit großem Interesse schaut sie in den Korb und ist überrascht, dass das Exemplar, das bei Druck, oder wenn man es mit dem Messer schneidet, rasch blau anläuft, tatsächlich essbar ist. „Um diesen Pilz habe ich immer einen Bogen gemacht“, sagt die Sammlerin. Es ist der Flockenstielige Hexenröhrling. An der Unterseite seines braunen Hutes hat er viele parallel angeordnete Röhren, die mit einer roten Färbung enden. Der Stiel hat einen gelben Grundton mit roten Flocken. „In rohem Zustand ist er giftig, gegart ein schmackhafter Speisepilz“, weiß Lieske. Überhaupt rät er, Pilze nie roh zu essen – außer vielleicht Zuchtchampignons, aber die auch nur in Maßen. Die meisten Röhrlingspilze seien ungiftig – außer der Satansröhrling, der heftige Magen-Darm-Beschwerden auslöst. Bei jungen Exemplaren ist der Hut eher weißlich, bei älteren ist es ein schmutziges Grau. Der knollige Stiel ist relativ kurz. Anfangs riecht er noch fruchtig, später stinkt er unangenehm.

Erst einmal die gängigen Arten mitnehmen

Reinhard Lieske rät den Sammel-Anfängern, erst einmal nur die gängigen Arten mitzunehmen. Dazu zählen untern anderem Steinpilze oder Maronen – beide gehören zur Gattung der Röhrenpilze – sowie Pfifferlinge. Dem Steinpilz sehr ähnlich ist allerdings der Gallen-Röhrling, der zwar nicht giftig, aber sehr bitter ist. Wie sich die beiden unterscheiden? Der Steinpilz hat oben am Stiel ein weißliches Netz, der Gallen-Röhrling ein braunes. „Wenn man nicht sicher ist, kann man mit der Zunge daran lecken, der Gallen-Röhrling ist ungiftig, schmeckt aber sehr bitter“, weiß Lieske aus Erfahrung.

Denn mit der Verwechslung dieser beiden Pilze beim Sammeln in der Lüneburger Heide hat die Leidenschaft des Berliners – der vor vielen Jahren aus beruflichen Gründen mit seiner Frau nach Rutesheim gezogen war – für dieses Hobby begonnen. Er kaufte sich Fachbücher, besuchte Kurse und legte 1983 eine Prüfung zum Pilzberater ab. Die Lieskes genießen zudem die Ruhe im Wald.

Die Krause Glucke schmeckt zubereitet schön nussig

Wie ein Bodenschwamm sieht die Krause Glucke aus. „Sie wächst bei Kiefern und schmeckt zubereitet schön nussig“, sagt der 78-Jährige. Allerdings hätten sich die Lieskes beim Genuss dieser Art mal eine Vergiftung zugezogen. „Der Pilz war schon zu alt.“ Unverkennbar mit seiner roten Hut-Farbe und den weißen Tupfen drauf ist der giftige Fliegenpilz. Daneben stehen Exemplare, die allerdings recht farblos aussehen. „Pilze sehen in jeder Wachstumsphase anders aus, da muss man genau hinschauen.“

Am Ende der kleinen Exkursion ist das Körbchen – wider Erwarten – dann doch gut gefüllt. Für die Verarbeitung der Schätze ist Renate Lieske zuständig. Sie ist längst auch Expertin für Pilzgerichte und freut sich schon, die jüngste Ausbeute diesmal zu trocken. „Daraus mahle ich dann ein Pulver und verfeinere damit allerlei Gerichte.“ Wichtig bei der Verwendung der Pilze: Getrocknete immer erst einweichen, Tiefgefrorene gehören direkt in die Pfanne.

Fotos Noch mehr Fotos von der Pilzwanderung im Internet unter www.leonberger-kreiszeitung.de