In der Mercedesstraße werden am Spieltag zwei Plakate mit dem Slogan „Werbung für Sportwetten auf meinem VfB-Trikot? Ohne mich.“ kleben. Wer hinter der Plakataktion steckt und was die Person damit erreichen will.

Digital Desk: Philip Kearney (kea)

Noch kleben an den Litfaßsäulen bei der Parkhausbrücke und dem Mercedes-Benz-Museum in Bad Cannstatt Werbeplakate für Bier und eine Werbeagentur. Doch bis zum Spiel des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart am Samstag (15.30 Uhr) gegen den SC Freiburg werden dort neue Plakate in der Mercedesstraße zu sehen sein.

 

Diese zeigen einen Mann im VfB-Trikot mit verschränkten Armen und ernstem Blick. Der Schriftzug des Trikotsponsors Winamax ist dabei schwarz überklebt. Zu lesen ist der Slogan: „Werbung für Sportwetten auf meinem VfB-Trikot? Ohne mich.“ (Bild von Plakat siehe Bildergalerie)

Hinter Plakaten steckt ehemaliger Sportwettensüchtiger

Hinter den Plakaten steckt der Fußballfan Thomas Melchior aus Sachsen. Dieser hat im vergangenen Jahr die Plakataktion „Der Spielsucht eine kleben“ gestartet. Mit seiner Kampagne will er auf die Gefahren der stetig zunehmenden Präsenz von Sportwetten-Werbung aufmerksam machen.

Melchior weiß aus eigener Erfahrung, wozu Sportwetten im schlimmsten Fall führen können. Eine Werbung in der Halbzeit des Spiels FC Bayern gegen Rapid Wien im Jahr 2005 brachte den damals 26-Jährigen auf den Geschmack, schnell wurde er sportwettensüchtig. Nur einen Tag nach seiner ersten Wette setzte er insgesamt 600 Euro auf Spiele. Über die Jahre verspielte Melchior rund 800 000 Euro, die ihm nicht gehörten. 2019 kam er schließlich ins Gefängnis, wo er mehr als drei Jahre verbrachte.

Vorwurf: VfB verkauft Fans an Glücksspielindustrie

Nach seiner Entlassung aus der Haft begann Melchior, mit Plakaten gegen Sportwetten-Werbung zu protestieren. Erst vor der Jugendvollzugsanstalt in Dresden, später unter anderem vor der Geschäftsstelle des FC Bayern München. Beim Heimspiel des VfB gegen den SC Freiburg am Samstag wird er selbst vor Ort sein, um mit Fans über seine Aktion zu sprechen. Der Grund: der neue Trikotsponsor des VfB.

Dass die Stuttgarter seit dieser Saison einen Wettanbieter als Trikotsponsor haben, stößt dem ehemaligen Sportwettsüchtigen sauer auf. „Das ist an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten“, so Melchior. Er wirft dem VfB vor, seine Fans an die Glücksspielindustrie zu verkaufen. Insbesondere Kinder und Jugendliche sieht er gefährdet.

Melchior sieht sich mit seiner Meinung in der Mehrheit

Für Melchior hat sich der VfB durch den Deal mit Winamax unglaubwürdig gemacht. VfB-Marketingvorstand Rouven Kasper sieht das natürlich anders, was er schon bei der Vorstellung des neuen Trikotsponsors bekräftigte: „Die Zusammenarbeit mit einem vom deutschen Staat lizenzierten Anbieter, der sich selbst zu Jugend- und Spielerschutz verpflichtet, verstößt nicht gegen unsere Werte.“

Mit seiner Meinung zum Trikotsponsor des VfB sieht sich Melchior in der Anhängerschaft in der Mehrheit: „Die meisten VfB-Fans sehen das Thema Sportwetten-Werbung wie ich“, meint er. Was Melchior besonders stört: „Die Sportwetten-Werbung suggeriert einem, dass man mit Sportwissen Geld verdienen kann. Das ist einfach nicht wahr!“

Es sei wichtig, die Kritik gegen Wettanbieter als Sponsoren immer wieder zu erneuern, damit Werbung für Sportwetten nicht zur Normalität werde. Melchior hat daher keine Pläne, seine Plakataktion, für die er auf der Internet-Plattform gofundme.de Spenden sammelt, in naher Zukunft zu beenden. Im Gegenteil: Der ehemalige Sportwettsüchtige arbeitet bereits an Plakaten für weitere Vereine.

An Auswahl mangelt es Melchior dabei nicht. Elf Bundesligisten und zehn Zweitligisten haben aktuell einen Wettanbieter als Sponsor. Tendenz steigend.