Zwei Polizisten des Innenstadt-Reviers sollen sich mehrfach wie Rowdys verhalten haben. Sie müssen nun vor dem Amtsgericht um ihren Job kämpfen. Dabei zeigt sich: Ohne gute Zeugen haben Opfer gegen mutmaßliche Polizeiwillkür kaum eine Chance.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Dass Polizeibeamte öfter mal angeschwärzt und angezeigt werden, weil sie sich angeblich falsch verhalten haben: „Das ist nicht ungewöhnlich, dass wir die Kollegen besonders des Innenstadt-Reviers überprüfen müssen“, sagt ein Kripomann des Dezernats Amtsdelikte. Ist auch kein Wunder, mitten in der City, die nachts mit schwierigem Klientel intern als „milieuspezifischer Ort“ bezeichnet wird. Der Fall eines 36-jährigen Polizeihauptmeisters und einer 31-jährigen Polizeiobermeisterin, die sich seit Mittwoch vor dem Stuttgarter Amtsgericht verantworten müssen, ist es aber doch. Der Staatsanwalt listet auf: Gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Verfolgung Unschuldiger.

 

Den Beamten könnte ihr Umgang mit einem 23-Jährigen zum Verhängnis werden. Ein stiller Typ, der immer wieder mal Probleme mit der Polizei bekommt, weil er gerne laute Musik im Auto hört, an Silvester Böller aus der Hand verschießt – und dann immer wieder davonrennt, aus Angst, „verschlagen zu werden“, wie er es formuliert.

Ein solcher Fluchtgedanke kommt ihm auch am 6. Juli 2015, als er um 23.15 Uhr mit Freunden in der Friedrichstraße in der Innenstadt unterwegs ist und eine Abkürzung über eine Baustelle nimmt. Als er am anderen Ende gerade über den Zaun zurück auf die Straße klettern will, nähert sich eine Streife dem Ort. Und das Unglück nimmt seinen Lauf. Der 23-Jährige rennt nämlich wieder mal Hals über Kopf davon. Am Ende hat er eine Nasenbeinfraktur, Schädelprellung und Risswunde an der Stirn, ist drei Wochen krankgeschrieben. Ein Opfer von Polizeigewalt?

Ohne gute Zeugen schlechte Karten

Entscheidend ist das, was sich im Vorraum einer Tiefgarage an der Kronenstraße abspielte. Der 23-Jährige sagt, dass er dort von einem Wachmann aufgehalten und dann von dem männlichen Polizisten ohne Grund ins Gesicht geschlagen worden sei. Der 36-jährige Beamte und seine 31-jährige Streifenpartnerin erklären vor Gericht jedoch, dass der Flüchtige sich mit Fäusten gewehrt habe. Der Schlag ins Gesicht sei nötig gewesen, „um weitere Angriffe zu verhindern“. Der Wächter vom Parkhaus habe im übrigen „gar nicht ins Geschehen eingegriffen“.

Als Opfer hat man da schlechte Karten. Auch wenn die objektiven Daten widersprüchlich sind. Beispielsweise wollen die Beamten schon im Streifenwagen einen Rettungswagen geordert haben. Doch während die Beamtin in die Haftkladde schreibt, dass der 23-Jährige um 23.35 Uhr in die Zelle kam, ist der Anruf beim Rettungsdienst erst um 23.36 Uhr registriert. Ihre Erklärung: „Meine Uhr geht immer falsch.“

Freilich: Monate später bekommt das Kripo-Dezernat, das gegen schwarze Schafe in den eigenen Reihen ermittelt, einen Hinweis auf den Parkhauswächter. Der hatte sich nie gemeldet, war von den beiden Streifenbeamten auch nie als Zeuge geführt worden.

Nach Müllsünde landet einer in der Arrestzelle

Der 59-jährige Wachmann erklärt: Er habe den 23-Jährigen auf Zuruf der Polizei gepackt und fixiert. „Es war keine Gefahr im Verzug, keine Bedrohung mehr“, sagt er als Zeuge vor Gericht. Dann sei an ihm vorbei ein Faustschlag gegen den Kopf des jungen Mannes erfolgt – und danach hätten die beiden Beamten ihn am Boden malträtiert. Er habe den Ort verlassen, „erschrocken über diese Art“. Was der junge Mann wohl verbrochen habe? Aber die Polizei war ja da, die regelt das schon. „Und was wäre passiert, wenn ich mich eingemischt hätte?“, fragt er.

Ein 36-jähriger Nachtbummler, der sich im Mai 2015 bei einer Aktion der Streife gegen einen Müllsünder auf dem Schlossplatz einmischte, landete jedenfalls für eine halbe Stunde in der Arrestzelle. Für den Staatsanwalt ein Fall von Freiheitsberaubung. Für die Verteidiger alles für einen „milieuspezifischen Ort“ gerechtfertigt. Der Prozess wird fortgesetzt.