Whatsapp mitlesen, Telefone abhören – das soll die Polizei nach dem Willen der Landesregierung auch präventiv dürfen. Bisher hieß es immer: zur Verhinderung von Terroranschlägen. Innenminister Strobl reicht das aber nicht.
Stuttgart - Hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) die falsche Textvorlage erwischt, als er am Dienstag während der Regierungspressekonferenz nach der Polizeirechtsnovelle gefragt wurde? Hatte er nicht. Dennoch klangen seine Einlassungen ungewöhnlich. Bisher war die Verschärfung des baden-württembergischen Polizeigesetzes in der Öffentlichkeit nahezu ausschließlich damit begründet worden, dies sei zur Verhinderung von islamistischen Terroranschlägen unerlässlich. Nun sagte Strobl plötzlich: „Das Gesetz ist nicht nur auf Terror ausgerichtet.“ Es gebe auch andere Bedrohungslagen, etwa die Organisierte Kriminalität – und auch dafür seien die zusätzlichen Überwachungsbefugnisse für die Polizei und den Verfassungsschutz gedacht. „Seit wir Terror haben, ist die Organisierte Kriminalität nicht verschwunden.“
Die vermutlich brisanteste Neuerung in dem Gesetz, das am 15. November vom Landtag beschlossen werden soll, liegt in der Überwachung von Kommunikationsgeräten. Dies soll auch mit Hilfe von Spähsoftware, so genannten Staatstrojanern, möglich sein, allerdings beschränkt auf laufende Kommunikation. Technisch gesprochen handelt es sich um die so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ). Das Auslesen von abgespeicherten Computerdateien (Onlinedurchsuchung) ist nicht erlaubt. Ob diese Trennung von laufender Kommunikation und gespeicherten Daten technisch überhaupt möglich ist, wie das Bundeskriminalamt sagt, ist bisher Glaubenssache, ein öffentlich nachvollziehbarer Nachweis fehlt.
SPD will mehr Überwachung nur zur Terrorabwehr
Im Vorblatt des Gesetzentwurfs heißt es, „angesichts der anhaltend hohen abstrakten Gefahr terroristischer Anschläge, insbesondere aus dem islamistischen Spektrum, müssen die polizeilichen Eingriffsbefugnisse dringend verbessert werden, um dieser vom internationalen Terrorismus ausgehenden Bedrohung wirksamer als bisher begegnen zu können. Zu diesem Zweck sollen im Polizeigesetz neue präventiv-polizeiliche Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) sowie zur Quellen-TKÜ geschaffen werden.“ Weitere Zwecke wie etwa die Organisierte Kriminalität werden nicht genannt.
Im Gesetzentwurf selbst wird dann die Überwachung der Telekommunikation allgemein erlaubt zur „Abwehr einer dringenden Gefahr für Leib, Leben und Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt“. Letzteres ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der nach Angaben des Innenministeriums auf „Infrastruktur von öffentlichem Wert“ zielt. Für die oppositionelle SPD geht das zu weit. Sie will die neuen Eingriffsbefugnisse der Polizei „durchgängig auf die Terrorabwehr begrenzen“. Das lehnt Innenminister Strobl jedoch ab. „Ich bin nicht bereit, das Gesetz in der Substanz zu ändern“, sagt er. Dem widersprach Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz: „Ausgangspunkt war und ist die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität stand nicht im Vordergrund.“ Grünen-Fraktionsvize Ulrich Sckerl schloss indes eine strikte Beschränkung des Gesetzes auf den Anti-Terror-Kampf aus. Dies führe zu Sicherheitslücken.
Einsatz von Handgranaten nur auf Befehl des Innenministers?
Die SPD trug weitere Änderungswünsche vor: Zwar verlangt der Gesetzentwurf für die Telekommunikationsüberwachung die Genehmigung durch einen Richter, bei Gefahr im Verzug kann diese aber nachgereicht werden. Diese Aufweichung des Richtervorbehalts will die SPD nicht mittragen. Außerdem sollen Sprengmittel – konkret: Handgranaten – wie in Bayern nur mit dem Plazet des Innenministers oder eines Beauftragten eingesetzt werden.
Ungeachtet der Bedenken beschlossen der Innenausschuss sowie der Ständige Ausschuss des Landtags am Dienstagabend mit den Stimmen von Grünen und CDU, dem Landtagsplenum die Zustimmung zu der Polizeirechtsnovelle zu empfehlen. Detailänderungen seien noch möglich, hieß es aus den Reihen der Regierungskoalition.