Die Bahn will die Arbeiten an Stuttgart 21 mit Hochdruck vorantreiben - dafür sollen mehr als 170 Bäume im Schlossgarten gefällt werden.
Stuttgart - Nach der Volksabstimmung will die Bahn die Arbeiten für Stuttgart 21 mit Hochdruck vorantreiben. So ist inzwischen für die Zeit zwischen dem 15. und dem 29. Januar die Verpflanzung und Versetzung von 175 Bäumen im Mittleren Schlossgarten ausgeschrieben worden. Den Unterlagen zufolge geht es um Gewächse mit einer Höhe von bis zu 25 Metern und einem Stammdurchmesser von bis zu 1,5 Meter. Das Gewicht wird inklusive des Wurzelstrunks mit bis zu etwa 900 Tonnen angegeben. Die Bäume müssen vor dem Ende der Vegetationsphase am 1. März beseitigt werden, um Platz für das Ausheben der Baugrube für den Tiefbahnhof zu schaffen.
Die vitalen Exemplare sollen an neue Standorte umgesetzt werden. Die Bahn behält sich allerdings vor, diese Bäume auch zu fällen, „falls keine Ersatzstandorte gesichert werden können“. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung sind rund 100 dieser Bäume gut verpflanzbar, der Rest wegen starker Schäden eher nicht. Definitiv zur Fällung frei gegeben sind 50 Exemplare im angrenzenden Bereich des Mittleren Schlossgartens, um Platz für Baustelleneinrichtungen zu schaffen.
Zahlen Land und Stadt mit?
Sowohl die Alternativstandorte, als auch die Finanzierung der Aktion sind bis jetzt nicht klar. OB Wolfgang Schuster hat zwar angekündigt, im neu geschaffenen Dialogforum interessierte Bürger auch über dieses Thema nochmals mitreden zu lassen, doch die Zeit drängt. Keine Vereinbarung zwischen den Projektpartnern Bahn, Land und Stadt gibt es bis jetzt auch in der Kostenfrage. Die Bahn veranschlagt insgesamt rund zehn Millionen Euro für die Umpflanzaktion, legt das Geld für das Unterfangen aber als Zusatzkosten aus, die durch den Geißler’schen Schlichterspruch zu Stuttgart 21 hervorgerufen worden seien.
Weder das Land noch die Landeshauptstadt sahen in der Sitzung des Lenkungskreises im September jedoch einen Grund, sich an der aufwendigen Aktion finanziell zu beteiligen. Nach der Volksabstimmung, die ein klares Votum für das umstrittene Bahnprojekt erbracht hat, erscheint es allerdings durchaus möglich, dass sich die grün-rote Landesregierung einer Mitfinanzierung nicht länger verschließen wird.
Kein Gestaltungsspielraum
Für OB Schuster und den Gemeinderat gibt es formal eigentlich keinen Gestaltungsspielraum in dieser Frage. Auch wenn die Mehrkosten für die Stadt gemessen an ihrem Finanzierungsanteil am Gesamtprojekt (292 Millionen Euro) vergleichsweise niedrig ausfallen dürften, hat sich die Mehrheit des Gemeinderats verpflichtet, bei der Übernahme von Zusatzkosten einen Bürgerentscheid über den entsprechenden Betrag auf den Weg zu bringen.
Freiwillig und auf eigene Rechnung verpflanzt hat die Bahn bisher bekanntlich 16 Bäume rund um den Parkplatz am Nordausgang des Hauptbahnhofs. Dabei handelte es sich allerdings um deutlich kleinere Exemplare als im Schlossgarten. Der Aufwand war dennoch groß: Die Aktion im Februar kostete den Konzern rund 20.0 000 Euro und wurde von massiven Protesten von S-21-Gegnern begleitet. 25 weitere Bäume im Mittleren Schlossgarten waren den Kreissägen bereits in der Nacht zum 1. Oktober 2010 zum Opfer gefallen, als die Bahn in einer bis heute juristisch umstrittenen nächtlichen Aktion die Fläche für die zentrale Anlage des Grundwassermanagements räumen ließ. Mittlerweile hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen drei Mitarbeiter der zuständigen Bahn-Tochter DB Projektbau Strafbefehle beantragt, weil sie ein Gutachten, das das Vorkommen des artgeschützten Juchtenkäfers in einer der zur Fällung bestimmten Platane für möglich hielt, bewusst zurückgehalten hatten. Um eine Verzögerung der Fällarbeiten zu vermeiden, sollen sie die Expertise erst wenige Stunden vor der Fällaktion kurz nach Mitternacht an das zuständige Eisenbahn-Bundesamt weitergegeben haben.