Andreas Sachsenhauser und sein Gärtnerteam kümmern sich um den Schlosspark Winnenden. Historische Gärten wie diesen zu erhalten, wird angesichts des Klimawandels jedoch zunehmend schwieriger.
Unter dem Blätterdach der Buche hat Parkpfleger Andreas Sachsenhauser rund 25 Besucher versammelt. Der über anderthalb Jahrhunderte alte Baum wirkt bei dem Nieselregen mit seiner majestätischen Krone wie ein riesiger Regenschirm. Kaum ein Tropfen findet den Weg durchs Blattwerk. Sachsenhauser erklärt den Teilnehmern der Führung, was eine „Fagus sylvatica“ dieser Altersklasse – so der botanische Name der Rotbuche – ökologisch auszeichnet. „Bäume wie diese sind klimatologisch ein wahrer Segen“, sagt Sachsenhauser.
Der Gartenbautechniker macht hierfür eine Modellrechnung: „Die etwa 30 Meter hohe Buche hat grob geschätzt rund 1200 Quadratmeter Blattfläche.“ Damit bindet der Baum täglich jede Menge Kohlendioxid und wandelt es mit Hilfe von Licht (Photosynthese) in Zucker und Sauerstoff um: „So eine Buche deckt den täglichen Sauerstoffbedarf von etwa zehn Menschen“, schätzt der Leiter der Anlagenpflege im Schlosspark. Bakterien, Pilzsporen und Staub werden von dem hölzernen Wunderwerk der Natur aus der Luft gefiltert. Es verdunstet etwa 400 Liter Wasser pro Tag und sorgt damit für ein besseres Mikroklima. Wird der Baum gefällt oder geht zugrunde, dann müssten rund „2000 junge Bäume nachgepflanzt werden, um ihn vollwertig zu ersetzen“, erklärt der 63-Jährige.
Im Winter duftet es im Park nach Gebäck
Sachsenhauser kümmert sich bereits seit sieben Jahren um die Pflege der rund 18 Hektar großen Kulturlandschaft im Klinikum Schloss Winnenden. Drei weitere Gärtner und eine Gärtnerin gehören zum Team.
Für ihn und seine Kollegen sind die 120 Baumarten nicht nur botanisch betrachtet ein Schatz. Auch parkhistorisch sei da etwas gewachsen, was „wir natürlich möglichst lange im Ursprung erhalten wollen“, sagt Sachsenhauser. Die Parklandschaft habe ja auch eine spannende Vorgeschichte. „Sie wurde von den einstigen Schlossherren als Jagdgarten genutzt.“ 1665 war das einst vom Deutschherren-Orden erbaute Schloss Winnental an die Herzöge von Württemberg übergegangen. Seit 1834 ist es eine Heilanstalt und beherbergt heute das Klinikum Schloss Winnenden, ein Zentrum für Psychiatrie. In den Klinik-Gründerjahren wurde auch der heutige Schlosspark angelegt. „Wir haben auf dem Kerngelände des Parks 750 Bäume stehen“, so Sachsenhauser. Darunter befinden sich Exoten wie die Kaukasische Flügelnuss, die Himalaya-Zeder, der Kalifornische Mammutbaum oder der Lebkuchenbaum aus Japan. Letzterer duftet im Herbst nach Weihnachtsgebäck.
Majestätisch präsentieren sich die beiden großen Ahornbäume, aber auch die sehr alte Stieleiche oder die Blutbuche. Besucher staunen über die Schönheit des Parkes. Auch die Patienten der Klinik schätzen das Ambiente rund um den Schlossparkteich mit Trauerweiden, Schilf und den romantischen Fußgängerbrücken. Der Tempel am Ufer des Sees lädt zum Verweilen ein. Blumenbeete, Kräutergärten, Magnolien und Rhododendren mischen sich wie die Farbtupfer auf der Palette eines expressionistischen Malers ins Gesamtbild des Gartens: „Von bestimmten Punkten aus kann man den Park tatsächlich wie auf einem Naturgemälde betrachten“, schwärmt Sachsenhauser. „Es gibt halt sehr viele schöne Ecken.“
Die Bäume kommen schon jetzt in Bedrängnis
Doch wird es auch in Zukunft gelingen, solche Parkanlagen in ihrem bisherigen Design zu wahren? Wohl eher nicht. Denn viele der alten Gehölze sind dem Klimawandel nicht gewachsen. Manche kommen jetzt schon in Bedrängnis.
Bäume leiden an Sonnenbrand, bleiben im Austrieb stecken, werden morsch und anfällig für Pilz-Krankheiten oder andere Schädlinge. „Wenn der Hitzestress im Hochsommer zu groß wird, wirft der Baum ab, was er zum Überleben nicht unbedingt braucht“, erklärt Sachsenhauser. Im Extremfall seien dies ganze Baumkronenastteile. Gerade auch Buchen droht das vorzeitige Ende.
Mit viel Einsatz und Expertise versucht das Gartenteam aus Winnenden dennoch das Erbe des Schlossparks zu bewahren. „Wir nehmen für die Baumpflege verschiedene Fachfirmen dazu“, sagt Sachsenhauser. Neue Baumsorten werden erprobt. Unverzichtbar bei dieser Rettungsmission könnte künftig auch die neu gegründete Baumuniversität im Fürst-Pückler-Park Branitz in Cottbus werden. Derzeit entsteht in Brandenburg eine Klimabaumschule mit Versuchspflanzungen. „Wir sind im Austausch mit dieser Forschungseinrichtung“, so Sachsenhauser. Das Ziel in Branitz sei es, historische Gärten künftig hitzetoleranter aufzustellen.
Die Quellen im Untergrund sind ein Glücksfall
Die Parkgärtner in Winnenden wollen durch die Aussaat von Blumenwiesen die Biodiversität im Park erhöhen. Auch neue Stauden werden erprobt. Die lokalen Wasservorräte sind ein Vorteil: „Wir haben ja das Glück, dass wir hier Quellen im Untergrund haben und einige Bäume besser ans Grundwasser herankommen als anderswo“, sagt Sachsenhauser. Der Leiter der Anlagenpflege hofft, dass auch künftige Generationen den Landschaftsgarten genießen können: „Viele sagen oder schreiben uns, dass der Park sie sehr erfreut. Auch von den Mitarbeitern und Patienten im Klinikum bekommen wir viele positive Rückmeldungen.“
Gärten im Rems-Murr-Kreis
Die Serie
Balkon- oder Kräutergarten, Firmenbiotop, Park oder Friedhof, sie alle sind dank ihrer Kümmerer wahre Grüne Oasen. In unserer Serie stellen wir vor, was und wer sie besonders macht.
Der grüne Greis
Der grüne Greis im Schlosspark Winnenden hat es Andreas Sachsenhauser besonders angetan. Er zählt zu den ältesten Bäumen in dem historischen Garten. „Das ist unser Methusalem“, sagt der Leiter der Anlagenpflege. Eichen zählen zu den tiefwurzelnden Laubbäumen. Sie gelten als sehr standfest.
Pflege Fachleute und Baumkletterer kontrollieren regelmäßig die alte Eiche und ergreifen Maßnahmen, auch um einem Astbrüchen vorzubeugen. Einzelne Äste des Seniorenbaumes wurden deshalb etwa auch mit elastischen Bändern und Seilen gesichert.