Neben vielen heimischen und internationalen Spezialitäten kann man auf dem „Markt des guten Geschmacks“ Heuschrecken und Mehlwürmer probieren. Eine Insektenfarm in Marbach versorgt nicht nur Menschen, sondern auch Bewohner der Wilhelma.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Zwischen Käse und Wurst, Kaffee und Wein, Backwaren und vielen nachhaltigen Feinkostangeboten bilden sich auf der Slow-Food-Messe, dem „Markt des guten Geschmacks“, immer wieder kleine Menschentrauben vor dem Stand von Catch Your Bug mit seinen Probierschälchen. Manche wollen nur gucken, andere auch kosten, und einige kaufen zum Messevorzugspreis gleich groß ein. Bei den „100 Prozent Naturprodukten ohne Zusätze“ handelt es sich um Insekten, die das Unternehmen überwiegend als Snacks und Proteinriegel anbietet, aber auch als Grillenhack oder Mehl aus, nun ja, Mehlwürmern und Heimchen.

 

Gerade der hohe Proteinanteil spreche für Insekten, die auch Vitamine, Ballaststoffe, Omega-3 und Antioxidantien enthalten. Zudem stoßen sie kaum CO2 aus, lassen sich ohne den Einsatz von Pestiziden, Antibiotika und Hormonen züchten, weswegen sie gerne als die „Ernährung der Zukunft“ propagiert werden. Zwei Milliarden Menschen essen Insekten, in Deutschland tut man sich immer noch ein bisschen schwer. Der Catch-Your-Bug-Gründer und Geschäftsführer Marco Schebesta aber sagt: „Der Markt wächst ständig.“ So seien seine Produkte vor wenigen Wochen ins Sortiment einer zweiten großen Supermarktkette aufgenommen worden.

Zuerst kamen nur Reptilien in den Genuss

Angefangen hat man mit der Zucht von Insekten in Marbach schon 1993, allerdings für die Versorgung von Reptilien. Heute noch beliefere man unter anderen die Wilhelma. Vor fünf Jahren aber habe der Biologe, der das Projekt betreut, angeregt „das Angebot auf Nahrung für Menschen zu erweitern“, wie Schebesta erzählt. In Neu-Ulm hat man die passenden Räume und Gerätschaften für die Lebensmittelproduktion gefunden, und seit 2020 ist man mit Catch Your Bug am Start.

Marco Schebesta ist der Geschäftsführer von Catch Your Bug. Foto: Matthias Ring

Die Zucht in Marbach funktioniert als „vertical Farming“ in lebensmittelechten Boxen, erklärt Marco Schebesta. Vier bis sechs Wochen dauere ein Zyklus, in denen sich die Tiere in der Insektenfarm explosionsartig zu einer Millionenpopulation vermehren. „Und wie macht ihr denen den Garaus?“, fragt ein interessierter Messebesucher. Man fahre einfach die Temperatur herunter, sodass die Insekten in eine Kältestarre verfallen. Fast könnte man also von einem humanen Tod sprechen. Gefroren werden die Tierchen zur weiteren Verarbeitung dann ohnehin, anschließend geröstet und je nach Produkt „kulinarisch gewürzt“.

Heuschrecken zum Pulen und Grillenpulver in Chips

Zu den Luxusprodukten zählen die Wanderscheuschrecken mit ihrem nussigen Geschmack. Schebesta spricht von den „Garnelen des Landes“, die man ebenso pulen muss. Der eigentliche Renner und auch „Einstieg für Skeptiker“ seien aber die Chips, deren Hauptbestandteil mit 60 Prozent zwar Erbsenmehl ist, die aber zu sieben Prozent Grillenpulver enthalten.

Apropos Inhaltsstoffe: Marco Schebesta kann sich noch gut an die Aufregung erinnern, als die EU Anfang 2023 mit dem Getreideschimmelkäfer ein weiteres Insekt als Lebensmittel zugelassen hat und viele Verbraucher fürchteten, dass nun überall im Essen versteckte Krabbler auf dem Vormarsch seien. Dabei müssen Insekten, die übrigens schon länger in Produkten wie Müsli, Backmischungen oder Schokolade enthalten sein können, als „Novel Food“ klar deklariert werden.

Kinder, so die Beobachtung am Slow-Food-Stand, scheinen am wenigsten Berührungsängste zu haben, und das nicht nur, weil auch bunte Insektenlollis mit sichtbaren Mehlwürmern und Heimchen im Sortiment sind. Für große Feinschmecker gibt es demnächst in Kooperation mit der Kochschule Matthias Walter in Bad Überkingen ein Insekten-Dinner mit einem Fünf-Gänge-Menü.