Je schlechter die Umfragen, desto stärker besinnt sich die SPD auf die Sozialpolitik. Doch die baden-württembergische Sozialministerin Katrin Altpeter hat einen schweren Stand. Das liegt nicht allein an ihrer Person.

Stuttgart - Je näher die Landtagswahl rückt, desto mehr besinnt sich die SPD auf ihren Markenkern. Die Generalsekretärin Katja Mast spricht immer häufiger von „den Herzensthemen der Partei“, zu denen sie „gute Arbeit, Zeit für Familie und Bildung“ zählt. Der Parteichef Nils Schmid hat in einer viel beklatschten Parteitagsrede im Herbst die soziale Gerechtigkeit und die Solidarität in den Mittelpunkt gestellt und den Nerv der Delegierten getroffen.

 

Kraft Amtes verkörpert in der grün-roten Koalition Katrin Altpeter das sozialdemokratische Selbstverständnis wie kein anderes Regierungsmitglied der SPD. Die Waiblingerin ist „Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren“ – und steht als solche auffallend häufig am Rand, wenn die anderen SPD-Minister ins Rampenlicht rücken. Die großen öffentlichen Punkte setzen andere, der Kultusminister, der Innenminister und natürlich der Finanz-und Wirtschaftsminister. Die Landtagsfraktion setzt auf Wirtschaftskompetenz. Altgedienten Parteigängern fällt da Dieter Spöri ein, der dreimal als Spitzenkandidat im Südwesten antrat und mit Wirtschaft punkten wollte.

Ganz hinten auf der Tagesordnung

„Das hat uns null komma null gebracht“, warnen die Genossen mit dem guten Gedächtnis. Wirtschaft solle nicht vernachlässigt werden, aber die Sozialpolitik habe in der Fraktion viel zu wenig Bedeutung. Sehr zum Verdruss der Sozialministerin. Es wurmt Katrin Altpeter schon, dass das Soziale häufig auf der Tagesordnung ganz weit nach hinten rutscht, die Fraktion aber „stundenlang über Lehrerstellen streitet“. Auch die Sozialministerin selbst hat in der Fraktion keine allzugroße Bedeutung. Altpeter gilt als bodenständig, fleißig, aber wenig durchsetzungsstark. „In Fachkreisen sind sie froh über Katrin“, sagt ein Parteifreund. Der direkte Kontakt ist die Stärke der Altenpflegerin und Lehrerin für Pflegeberufe. „Sie ist nicht so abgehoben wie andere“, sagen die ihr Wohlgesinnten. Kritiker finden sie allzu bodenständig. Die Ministerin besticht nicht gerade durch Rhetorik und Eloquenz.

Ihr fehlt auch die notwendige Unterstützung. Zwar wurde die Abgeordnete aus dem Wahlkreis Waiblingen schon 2006, als sie zum zweiten Mal in den Landtag einzog, zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden gewählt. Doch damit schien es dann auch genug. Altpeter gilt im Denken der alten Seilschaften als Zögling der damaligen Fraktionschefin Ute Vogt. Dennoch sicherte sie sich bei der Regierungsbildung das Sozialministerium, auch gegen den Wunsch von Spitzengenossen, die ihr das Amt nicht recht zutrauten.

Altpeter steht manchmal alleine da

Jetzt steht Altpeter manchmal recht alleine da. Sie ist keine große Strategin. Ihre Bilanz ist aber besser als ihr Standing. Sie kann auf eine Menge Gesetze verweisen. Der Reichtums- und Armutsbericht ist doch noch zustande gekommen. Sie hat die Tür aufgemacht für Wohngemeinschaften von Pflegebedürftigen und die Rechte von Psychiatriepatienten gestärkt. Auch das Chancengleichheitsgesetz ist nach zähen Verhandlungen verabschiedet worden. Die Kinderrechte sind zum Staatsziel avanciert. „Ich habe alles, was ich wollte, aber ich musste für jedes Einzelne kämpfen“, bilanziert die Ministerin. Oft musste sie die Zähne zusammenbeißen und bei manchem Entwurf auch Federn lassen. Bei ihrem Gesetzentwurf zum kommunalen Behindertenbeauftragten mahnte der Ministerpräsident öffentlich Nachbesserungen an. So etwas kratzt am Image. Das Chancengleichheitsgesetz geht ihr selbst nicht weit genug. „Das ist ein erster Schritt, da muss noch mehr kommen“, sagt sie – unverdrossen den Blick nach vorne richtend, auch wenn „mancher Kompromiss mehr geschmerzt hat als andere.“

Die Mutter einer Tochter ist entschlossen, sich den Schneid nicht abkaufen zu lassen. Sie macht sich für ihre Sozialpolitik stark, auch wenn sie mehr als einmal erfahren hat, dass dieses Politikfeld in der Partei erst dann in den Fokus rückt, wenn die Umfragen für die SPD mal wieder schlecht sind. „Sozialpolitik kann ich“, bekräftigt sie, wie um sich selbst Mut zu machen und veranschaulicht ihr Verständnis der Aufgabe mit einer Anleihe bei Pippi Langstrumpf. „Ich bin nicht die Prusselise von Baden-Württemberg“, sagt die 52-Jährige. Prusselise ist die Fürsorgerin von Pippi Langstrumpf. Altpeter will weg von der Fürsorge, hin zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit im Land. Sie hat die Bürger im Blick, die schon länger nicht mehr zur Wahl gehen, die manche in der Fraktion schon abgeschrieben haben und die zunehmend von der Linken umworben werden.

Die Prusselise von Baden-Württemberg?

Bei allen Schwierig- keiten in Regierung und Fraktion trifft sie damit das Herz der Partei. Bei den jüngsten Wahlen zum erweiterten Parteivorstand hat sie alle Genossen deutlich hinter sich gelassen. Der Zweitplatzierte, der Kultusminister Andreas Stoch, der in der Fraktion sehr hoch gehandelt wird, musste sich mit 30 Stimmen weniger begnügen. Das gibt Auftrieb. Denn auch wenn „die Aufträge aus dem Koalitionsvertrag abgearbeitet sind“, hat Katrin Altpeter noch einiges vor: „Wir brauchen weitere Frauenförderung und im Vor- und Umfeld der Pflege ist auch noch einiges zu tun . Das muss ins Wahlprogramm rein.“ Selbiges wird demnächst vorgestellt.