Verdi und die kommunalen Arbeitgeber erzielen eine Einigung - damit haben die Streiks im Nahverkehr ein Ende. Verdi ist zufrieden.  

Stuttgart - Die Nutzer von Stadtbahnen und Bussen bleiben von weiteren Streiks verschont. Der kommunale Arbeitgeberverband (KAV) und die Gewerkschaft Verdi einigten sich am Donnerstagnachmittag auf einen neuen Tarifvertrag für die gut 7500 Beschäftigten von sieben baden-württembergischen Nahverkehrsunternehmen. Die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) rechnet damit, dass von Samstag an alle Bereiche uneingeschränkt arbeiten.

 

"Ich bin nicht ganz zufrieden" sagte der SSB-Personalvorstand und Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Reinhold Bauer, der StZ. Die Arbeitgeberseite habe mehr Zugeständnisse gemacht, als sie sich vorgenommen hätte, wollte aber weitere Arbeitsniederlegungen vermeiden. Die SSB werde bei den Personalkosten durch den Abschluss um zwei bis drei Prozent mehr belastet. "Ich bin zufrieden", kommentierte der Verdi-Verhandlungsführer Rudolf Hausmann das Ergebnis. "Wir haben ein gutes Gesamtpaket mit einigen vertretbaren Kompromissen erzielt."

Hundert Prozent Weihnachtsgeld

Bis zuletzt stritten die Kontrahenten vor allem über das Weihnachtsgeld. Hier sind die Arbeitgeber der Gewerkschaft am weitesten entgegengekommen. Verdi wollte eine hundertprozentige Jahressonderzahlung bei Beibehaltung des bisherigen Urlaubsgeldes durchsetzen. Dies ist der Gewerkschaft für die sieben unteren Lohngruppen - inklusive der Fahrer - gelungen. Die Lohngruppen acht bis zwölf erreichen das volle Weihnachtsgeld nach vier Jahren. Die Sonderzahlung hatte schon in der Vergangenheit bei 100 Prozent gelegen, wurde aber unter dem allgemeinen Privatisierungsdruck auf 82 Prozent abgebaut.

Darüber hinaus erhalten die Beschäftigten nun eine Beschäftigungssicherung für fünf Jahre - für die Laufzeit des Manteltarifvertrags bis Dezember 2016 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Verdi wollte den Vertrag allenfalls bis 2015 laufen lassen, die Arbeitgeber wünschten sich eine Gültigkeit bis 2018.

Schon vor den Verhandlungen am Donnerstag war klar, dass alle Beschäftigten künftig 30 Tage Urlaub erhalten - das bringt den unter 30-Jährigen vier Tage mehr. Die bisherige Staffelung des Urlaubsanspruchs nach Alter war gemäß europäischer Rechtssprechung nicht mehr zulässig. Zudem gibt es zwei zusätzliche freie Tage im Jahr.

Wegezeiten werden nicht extra bezahlt

Ansonsten musste Verdi an mehreren Stellen nachgeben. So lehnten die Arbeitgeber die Bezahlung von Wegezeiten ab, weil bis zu sechs Stunden Wegezeit im Monat bereits mit einer deutlich höheren Bezahlung der Fahrer als bei anderen Verkehrsunternehmen abgegolten seien. Folglich bleibt es bei der bisherigen Regelung.

Wenig erreicht hat Verdi auch im Streben nach einem Bonus für die Gewerkschaftsmitglieder. Die Arbeitgeber wollten keinen Keil in die Belegschaften treiben lassen. Nun zahlen sie jedem Mitarbeiter einen Zuschuss von 25 Euro im Jahr - entweder für eine Berufshaftpflichtversicherung oder die "Gewerkschaftliche Unterstützungseinrichtung für Verkehrsteilnehmer" (GUV). Die GUV bietet den Bus- und Bahnfahrern spezielle Leistungen für diverse Schäden innerhalb der Arbeits- und Wegezeit an, die eine gewöhnliche Versicherung nicht abdeckt. Somit handelt es sich um einen praktischen, nicht aber juristischen Vorteil. Verzichtet hat die Gewerkschaft auf ihre Forderung, dass jedes Mitglied monatlich 50 Euro für die Altersversorgung erhalten solle. Auch ihren Wunsch nach einem eigenständigen Entgelttarifvertrag für Baden-Württemberg musste die Gewerkschaft vorerst fahren lassen.

Tarifpaket für den Nahverkehr geschnürt

Kampfgebiet Betroffen von den Neuregelungen sind etwa 7500 Beschäftigte – etwa jeder Zweite ist ein Fahrer. Der Tarifvertrag Nahverkehr gilt in Stuttgart, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg, Esslingen, Heilbronn und Konstanz – in Pforzheim hingegen ein Haustarif.

Vereinbarungen Verdi hatte im Vorfeld etwa 20 Forderungen erhoben. Neben den zentralen Punkten einigten sich die Tarifparteien darauf, allen Beschäftigten eine leistungsorientierte Bezahlung in Form von zwei freien Tagen zu gewähren. Pro Schicht, die durch eine längere Pause geteilt wird, gibt es eine erhöhte Ausgleichszahlung von drei Euro. Leiharbeit wird auf vier Prozent der Belegschaft begrenzt. Zudem gelten neue Haftungsregeln: der Fahrer kann nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Haftung genommen werden.