In einem Hinterhof im Stuttgarter Osten liegt eine Miniatur-Version der Wagenhallen versteckt. Der Betreiber der Garage 229 will aus einer Lackiererei einen Ort der Begegnung machen. Um die Zukunft des Industriedenkmals wird nun gestritten.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Den besten Überblick über die im Osten gelegene ehemalige Lackiererei hat man aus dem Leitstand. Von der verglasten Kabine aus hat einst der Meister die Arbeiten kontrolliert. Heute hat man freie Sicht auf hohe Decken, Industrielampen, eine ehemalige Lackierbox – alles wunderschön renoviert. Der Boden der Damentoilette sieht aus, als hätte Jackson Pollock hier eines seiner Bilder umgesetzt. Früher befand sich hier der Mischraum der Werkstatt. „Die Böden wurden mit einer Harzversiegelung beschichtet. So sind Risse und Flecken und die damit verbundene Geschichte der ehemaligen Lackiererei heute noch erlebbar“, schreibt das Lackiererblatt anerkennend.

 

Als Kind hat Andreas Erhardt in der 1937 erbauten Werkstatt gespielt. Sein Großvater hat den Betrieb aufgebaut, sein Vater hat ihn um ein Autohaus ergänzt, Andreas Erhardt hat nach eigenen Angaben schließlich 30 Autohäuser mit Hunderten von Mitarbeitern geführt, ehe er die Firma verkauft hat.

Die kleinere Variante der Wagenhallen liegt im Stuttgarter Osten

Die Keimzelle des Familienunternehmens, die in einem Hinterhof der Haußmannstraße versteckte Garage, hat Erhardt behalten, und in eine Art Mini-Wagenhallen verwandelt. Lackiert wird hier seit 2015 nicht mehr. Stattdessen soll das Industriedenkmal für Fotoaufnahmen, Tagungen und Präsentationen genutzt werden. Für diese Umnutzung hat sich Andreas Erhardt Luca Böck an seine Seite geholt. Luca ist der Sohn von Peter Böck, einem renommierten Kulissenbauer, der als erster das Potenzial der Garage 229 erkannte. Der Stuttgarter Fotograf Max Leitner hatte hier seine erste Ausstellung. Porsche hat hier kürzlich ein neues Modell vorgestellt und dafür 200 Autojournalisten aus der ganzen Welt in Bussen hergebracht. Die Caritas ist hier für ein Kinderhilfsprojekt zusammengekommen.

Einen Ort mit Geschichte zu erschaffen, der allen offen steht, anstatt wieder Autos in einem Wohngebiet zu lackieren: Dagegen sollte keiner etwas haben, sollte man meinen. Andreas Erhardt erzählt eine andere Geschichte. Er beklagt sich über die mangelnde Unterstützung der Stadt. „Ich mache das hier nicht, weil ich Geld verdienen muss, sondern weil ich mit dem Stadtteil verbunden bin und einen ungewöhnlichen Ort erhalten will“, sagt Erhardt, der sich als Kind des Ostens bezeichnet.

Andreas Erhardt will von der Stadt kein Geld, sondern konstruktive Unterstützung

Während er seine Aufschriebe durchgeht, blitzt immer mal wieder eine Armbanduhr der Marke hervor, die kürzlich die Karriere des DFB-Präsidenten beendet hat. „Jeder Besucher ist von diesem Gebäude begeistert. Von der Stadt interessiert sich aber niemand für uns“, sagt Erhardt und bringt das unter Stuttgarter Kulturschaffenden beliebte Wagenhallen-Beispiel ins Spiel. „Die wurden mit einem Millionen-Betrag gefördert. Wir wollen gar kein Geld von der Stadt und hier auch keine Konzerte oder laute Veranstaltungen machen. Ich würde mir nur etwas konstruktive Unterstützung wünschen.“

Für den Bauantrag für die Umnutzung hat sich Erhardt die Robi Wache Architekten GmbH ins Boot geholt. Der Stuttgarter Architekt hatte schon das Wizemann-Areal auf seinem Weg vom Auto-Zulieferer zum Ort der Kultur begleitet. Bei diesem und bei anderen Projekten sei die Zusammenarbeit mit dem Baurechtsamt immer sehr konstruktiv gewesen. In seinem Fall spiele das Baurechtsamt aber auf Zeit, klagt Andreas Erhardt.

Die Stadt prüft den Bauantrag noch

Fragt man bei der Stadt nach, ob das so ist, erklärt ein Sprecher, dass man den Antrag noch prüfe. Und weiter: „Uns ist bekannt, dass es sich um ein schönes, altes Gebäude mit einem interessanten Nutzungskonzept handelt. Die Frage, ob die Stadt eine solche Einrichtung unterstützen möchte, spielt bei der rechtlichen Beurteilung keine Rolle: Die Nachbarn haben ein Recht darauf, dass ihre Interessen und Ansprüche berücksichtigt werden.“

Andreas Erhardt sagt, dass er versuche, die Nachbarn bei seinem Projekt einzubinden, dass es aber einen gebe, der Stimmung gegen ihn mache. Er erzählt aber auch von einer Nachbarin, die kürzlich auf das Gelände stolperte. Als der Impresario ihr das Areal vorgeführt hatte, berichtete die Anrainerin von ihrer Theatergruppe, der kürzlich die Räume gekündigt wurden. Erhardt kann sich vorstellen, der Truppe seine Fläche für ihre Proben zur Verfügung zu stellen. „Genau das ist es ja, was ich will: Einen Ort schaffen, an dem die unterschiedlichsten Besucher ein- und ausgehen. Einfacher wäre es, das Areal einem Bauträger für den Bau von Luxus-Lofts zu verkaufen oder hier wieder Autos zu lackieren. Das will ich aber beides nicht. Ich will den besonderen Spirit dieses Ortes bewahren.“ Während die Aprilsonne auf das Wellblechdach scheint, zeigt Erhardt ausgedruckte Fotos von Begegnungen in seiner Garage. Seine stahlblauen Augen strahlen dabei: „Nach 30 Jahren Autohandel möchte ich mich nur noch mit Menschen umgeben, die mir guttun.“