Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zu Stuttgart 21 geäußert. Über ihren Sprecher ließ sie erklären, dass sich das Bahnprojekt „natürlich“ rechnen muss. Dennoch halte sie Stuttgart 21 weiter für ein wichtiges Projekt. Andere Politiker reagierten mit deutlicheren Worten.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Berichte der Stuttgarter Zeitung über das interne Dossier zu Stuttgart 21 aus dem Hause von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) haben auch im Kanzleramt zu Reaktionen geführt. „Natürlich muss ein solches Projekt wirtschaftlich sein“, erklärte ein Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel der „tageszeitung“ (taz). Die grundsätzliche Überzeugung der Kanzlerin, dass Stuttgart 21 ein wichtiges Projekt für die Infrastruktur im Südwesten und im europäischen Netz sei, habe sich aber nicht geändert.

 

Auch bei der SPD hat sich erstmals ein führender Vertreter der Bundespartei in Berlin kritisch zu den Vorgängen bei dem umstrittenen Milliardenprojekt geäußert. Der Verkehrsexperte Uwe Beckmeyer, zeigte sich schockiert. „Ich bin völlig geplättet, wenn ich lese, was die Stuttgarter Zeitung aufgedeckt hat“, sagte der frühere Bremer Verkehrssenator, der seit 2002 im Bundestag sitzt. Die Berichte enthielten „eine Vielzahl neuer Informationen, die so in keiner Weise bisher im parlamentarischen Raum bekannt waren“.

„DB-Vorstand bewegt sich auf sehr dünnem Eis“

Auch Minister Ramsauer streite die Echtheit des Dokuments aus seinem Hause nicht mehr ab, betonte Beckmeyer. Die Aussagen des Ministers, das Papier stamme von der „untersten Ebene“ des Ministeriums, seien wenig glaubwürdig. Das Dossier sei „von ganz besonderer Güte“. Denn es beweise, „dass das Parlament von der Bundesregierung und der DB AG an der Nase herum geführt wurde“.

Beckmeyer sitzt für die SPD im Verkehrsausschuss des Bundestags und ist stellvertretendes Mitglied im Haushalts-, Umwelt- und Verteidigungsausschuss. Bis 2009 saß er im Fraktionsvorstand, bis im Herbst 2011 war der 63-jährige Politiker verkehrspolitischer Sprecher. Beckmeyer betonte, er werde auf Aufklärung der Vorgänge im Bundestag dringen. Insbesondere die Verantwortung und Haftung des Aufsichtsrats und des Vorstands der Deutschen Bahn mit Rüdiger Grube an der Spitze sei zu klären. Zu Berichten der StZ , dass das Verkehrsministerium intern den Managern schwere Verfehlungen ankreidet und im DB-Aufsichtsrat auf vertiefte Prüfung von Regressansprüchen dringen sollte, sagte Beckmeyer: „Der DB-Vorstand bewegt sich auf sehr dünnem Eis und hat die zulässigen Grenzbereiche möglicherweise überschritten“.

Ist der DB-Vorstand noch tragbar?

Zur Frage, ob der DB-Vorstand noch tragbar sei, sagte Beckmeyer diplomatisch, das würden „die Prüfungen zeigen“. Für Rücktrittsforderungen sei es „zu früh“. Offenkundig sei, dass die DB-Spitze „ohne Rückendeckung durch den Aufsichtsrat das nicht mehr durchfinanzierte Projekt S 21 weiter vorangetrieben hat“. Die Aufklärung der Vorgänge sei zwingend nötig, da es um Geld der Steuerzahler gehe. Auch der Bundesrechnungshof sei gefragt. Es sei eine erneute Prüfung der Wirtschaftlichkeit von S 21 nötig.

Die Äußerungen von Beckmeyer sind bemerkenswert. Bisher hielt sich die Bundes-SPD mit Kritik an S 21 zurück. In Baden-Württemberg stützt die SPD-Landtagsfraktion das Projekt weiterhin, ebenso wie die Regierungsmitglieder in der grün-roten Koalition und die SPD-Fraktion im Stuttgarter Gemeinderat. An der Basis und in vielen Kreisverbänden im Südwesten hat sich allerdings seit Jahren erheblicher Widerstand gegen S 21 aufgebaut.