Mit dem Auslaufen des Baustopps stehen die Zeichen wieder auf Konfrontation. Die Opposition sieht die Nöte der Grünen mit Genugtuung.  

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein Duell mit Worten. Manche Sätze klangen wie Schüsse, als die beiden Hauptkontrahenten nach der Sitzung des Lenkungskreises im Staatsministerium vor die Mikrofone traten. Verkehrsminister Winfried Hermann und der Bahnvorstand Volker Kefer machten zwar freundliche Miene, aber was sie sich zu sagen hatten, war alles andere als freundlich - und die Atmosphäre entsprechend eisig.

 

In Sachen Stuttgart 21, so lautete ihre gemeinsame Botschaft, stehen die Zeichen zwischen Land und Bahn nun vollends auf Konfrontation. Man habe sich "heftig gestritten" und "in zentralen Fragen nicht verständigt", räumte Hermann unumwunden ein. Die Regierung habe formal keinen Baustopp beantragt, weil die Bahn die Kosten dafür nicht klar dargelegt habe. Jawohl, bestätigte Kefer den Dissens, die Bautätigkeit werde nun wieder "hochgefahren". Da das Land den angebotenen Kompromiss ausgeschlagen habe, hätte sich eine weitere Debatte über die Kosten erübrigt.

Die Situation ist heillos festgefahren

Sodann machten beide keinen Hehl aus ihrem Unverständnis über die jeweils andere Seite. Er verstehe nicht, weshalb die Bahn "jetzt solchen Druck entfaltet", klagte Hermann. Sie verlasse damit ihren bisherigen "klugen Kurs". Kefer dagegen zählte auf, wie oft man dem Land schon entgegengekommen sei. Nun erwarte man von ihm das Gleiche. Man könne schließlich nicht "über Wochen, Monate, vielleicht Jahre gegeneinanderarbeiten". Die Situation um den Bau des Tiefbahnhofs, das machte der Auftritt abermals deutlich, ist heillos festgefahren.

Warum die Landesregierung formal auf einen Baustopp verzichtet habe, begründete Hermann damit, dass die von Kefer am vergangenen Mittwoch servierten Zahlen und bautechnischen Argumente für die Höhe der Baustoppkosten "nicht glaubwürdig und nicht nachvollziehbar" gewesen seien. "Wenig Papier, alles sehr unpräzise", sagte Hermann, auf jeden Fall keine ausreichende Grundlage für Gespräche über eine Kostenübernahme im zweistelligen Millionenbereich. Die DB präsentierte Stillstandskosten von 56 Millionen Euro für die Verzögerung um ein Jahr bei einem fünfwöchigen Baustopp bis zum 15. Juli. 20 Millionen Euro davon ergäben sich aus Zusatzkosten für das Projektmanagement, 30 Millionen Euro aus verlorenen Verkehrserlösen, und sechs Millionen Euro hat man als Pauschale für "Erschwernisse" angesetzt. Zudem nennt der Konzern weitere Belastungen von 33 Millionen Euro, die die Stadt von 2021 an als Verzugszinsen für die verspätete Übergabe der Bahngrundstücke erheben dürfte.

Bis heute gibt es keinen Rahmenterminplan

Verwunderlich ist nur: die Stadt würde sich laut einem Gemeinderatsbeschluss von 2007 mit 21,2 Millionen Euro zufriedengegeben. Überhaupt, so Hermann, habe eine Controlling-Abteilung der Bahn 2008 sogar einen positiven Effekt einer einjährigen Verzögerung ermittelt. Der Grund dafür: Das "nicht sehr wirtschaftliche Projekt" würde erst später Eigenkapital benötigen, so der Minister, der sagt, die Bahn würde ohnehin nicht pünktlich Ende 2019 fertig. Es liege der Entwurf eines Fördermittelantrags von 2010 vor, in dem die DB selbst von einer Einweihung nicht vor 2020 ausgehe. Ein Rahmenterminplan sei ihm aber bis heute nicht vorgelegt worden. Hermann weist darauf hin, dass sich die Planfeststellung allein für den Filderbereich um zwei bis drei Jahre verzögere. Die Bahn behauptet freilich, den Zeitverzug aufholen zu können.

Volker Kefer ließ Hermanns Argumentation nicht gelten. Man habe die Kosten für einen längeren Baustopp transparent dargelegt, die vermisste "Entscheidungsgrundlage" sei sehr wohl gegeben gewesen. Positiv bewertete er, dass sich das Land nun zu seiner Projektförderpflicht bekenne. Es gehe darum, das Vorhaben nun wirklich voranzutreiben. Hermann versteht diese Pflicht ganz anders: Das Land müsse darauf achten, dass Kosten vermieden würden, die sich beim Projektabbruch in Folge des Stresstests, einer Übersteigung der Kosten über den fixierten Rahmen von 4,5 Milliarden Euro hinaus oder durch die für den Oktober geplante Volksabstimmung ergeben könnten. Wie teuer Stuttgart 21 werde, habe er nicht erfahren, so der Minister. Es liege kein aussagekräftiger und prüfbarer Projektbericht über die Kosten- und Risikoentwicklung vor.

Kefer bekommt Rückendeckung von der Opposition

Auch die Behauptung, dass es bei der Nichtvergabe von Bauaufträgen für die Tunnels zu einer Neuausschreibung und zu langen Sperrpausen komme, könne widerlegt werden. Dass die Inbetriebnahme des Bahnknotens nur zum Fahrplanwechsel im Dezember eines Jahres erfolgen könne, so dass selbst wenige Wochen Terminüberschreitung zu einem Verzug von einem Jahr führen würden, sei schwer nachvollziehbar, wie die Beispiele der Neubaustrecke Nürnberg-Ingolstadt und des Berliner Hauptbahnhofs zeigten.

Rückendeckung bekam der Bahnmanager Kefer von der neuen Opposition im Landtag, die hart mit dem Verkehrsminister ins Gericht ging. "Entsetzt" äußerte sich CDU-Fraktionschef Peter Hauk über dessen Auftritt und forderte ihn auf, nun endlich "die Rolle des Protestlers aufzugeben". Mit seinem indirekten Aufruf zum Protest habe er "in schwersten Maße" gegen seine Amtspflichten verstoßen. "Peinlich" sei der Versuch, der Bahn den Schwarzen Peter zuzuschieben, sekundierte Hauks liberaler Kollege Hans-Ulrich Rülke. Nun sei die Regierung "in der harten Realität" angekommen, frohlockte die FDP-Landeschefin Birgit Homburger. Vor allem die Grünen hätten hohe Erwartungen erweckt, die sie jetzt nicht erfüllen könnten - der Beginn ihrer Entzauberung.

Die mitregierende SPD drängte es angesichts der schwierigen Lage nicht ins Rampenlicht. Ihr Finanzstaatssekretär Ingo Rust war zwar ebenfalls als Teilnehmer der Pressekonferenz im Staatsministerium angekündigt, trat dann aber doch nicht auf.