Stuttgart analysiert Schulqualität Beim Essen und den Toiletten klemmt es in Ganztagsschulen

Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer hat die Qualität von 32 Ganztagsgrundschulen in Stuttgart ermitteln lassen. Herausgekommen ist ein kritischer Bericht, der schonungslos aufzeigt, wo es klemmt.
Stuttgart - Bildungsbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) hat die Qualität von 32 Ganztagsgrundschulen in Stuttgart ermitteln lassen – es ist die erste umfangreiche Analyse hierzu. Das Ergebnis ist ein detaillierter Bericht, der aufzeigt, wo es noch klemmt: etwa beim Essen und den Toiletten. Es gibt aber auch gute Nachrichten: Laut Studie erfüllen alle Ganztagsgrundschulen die Basisanforderungen, zwölf haben sogar „eine Praxis auf gutem Niveau“ entwickelt. Das Gesamtkonzept werde insgesamt als gut bis sehr gut eingeschätzt. Dies sei „eine solide Grundlage für die weitere Entwicklung an den Schulen“. Und: 67 Prozent der Kinder geben an, gern in die Ganztagsschule zu gehen. Trotz allem. „Die GTS ist voll cool, da sind auch alle meine Freunde“, erklärte ein Zweitklässler.
Wer wurde befragt?
Die Analyse führten das Statistische Amt der Stadt und das Referat Jugend und Bildung gemeinsam durch. Dabei wurden 248 Erst- bis Viertklässler, 204 Lehrer und Schulmitarbeiter, 247 pädagogische und andere Mitarbeiter des Trägers, zwölf Schulsozialarbeiter und 145 Eltern befragt. Insgesamt wurden 18 Qualitätsmerkmale in folgenden Kategorien untersucht: Konzept, Management, Zusammenarbeit, Schulalltag, Räume, Ausstattung, Gesamteinschätzung. Der Bericht soll nicht nur den Ist-Zustand zeigen, sondern auch Impulse für die weitere Qualitätsentwicklung und -sicherung geben.
Wie sehen die Kinder ihre Schule?
Laut der Studie ist die Gestaltung des Übergangs vom Kita- zum Grundschulkind ausbaufähig, viele Schulanfänger seien verunsichert. Weiterer Kritikpunkt: nur wenige Schulen binden Kinder und Eltern ausreichend ein. Bei der Studie selbst aber durften 248 Grundschüler aus zehn Schulen berichten, wie sie ihren Schulalltag wahrnehmen und was sie sich wünschen. „Ich möchte einfach mal was malen, oder ein Buch anschauen“, sagte ein Drittklässler. Und sie durften Vorschläge machen, was sie für 200 Euro für ihre Schule anschaffen möchten. „Bei uns hatten 28 Kinder mitgemacht“, berichtet Uwe Heilek, der Leiter der Grund- und Werkrealschule Gablenberg. „Die haben sich einen Trinksprudler gewünscht.“ Um ein für die Kinder schneller wahrnehmbares Ergebnis zu bieten, erhielten sie ein pavillonartiges Zelt als Raumteiler und Rückzugsort.
Rückzugsorte kommen laut Studie an einigen Schulen zu kurz. Sowohl das Verlangen nach Ruhe als auch nach ausreichend Zeit für freies Spiel und Bewegung würden nicht überall genug bedient. „Es gibt keinen Toberaum für die großen Kinder“, monierte ein Viertklässler. Zudem fühlen sich viele Kinder zu reglementiert und „durchgetaktet“. „Wir dürfen nie alleine in einem Raum sein, immer ist eine Erzieherin da“, so ein Drittklässler. Etliche Schüler wünschen sich größere Schulhöfe mit mehr Spielgeräten und Bäumen. Inzwischen entwickelt die Stadt ein Konzept „Naturzeiten im Ganztag“.
„Die Kinderbeteiligung fand ich auf jeden Fall sinnvoll“, so Heilek. Seine Schule beherzige das bereits. „Seither gibt es viermal im Jahr Schulversammlungen, die Dritt- und Viertklässler kriegen das gut hin, diese zu moderieren“, so Heilek.
Was muss besser werden?
Eher schlecht weg kommt in der Studie das Essen: Nur ein Drittel der Kinder gab an, dass es ihnen meistens schmeckt. Rund 40 Prozent würden beim Mittagessen nicht satt. Besonders angefasst zeigten sich viele Kinder beim Thema Toiletten. Die seien ekelig, kalt, unhygienisch und stinkten. Auf diese Rückmeldung hat die Stadt bereits reagiert: Sie erhöhte den Reinigungsturnus und beschaffte Duftseife. Sanierungen brauchen Zeit.
Die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und anderen Fachkräften „funktioniert bisher an den meisten Schulen nicht im gewünschten Maß“, so die Studie. „Nicht förderlich“ für deren ineinandergreifende Arbeit sei, wenn eine Schule Halb- und Ganztag anbietet. „Ein gemeinsames Bildungsverständnis und die erfolgreiche Einbindung des Umfelds der Schule funktionieren bei verbindlichen Ganztagsschulen besser.“ Dies sähen alle Akteure so. Jan Manuel Hufnagel von der Abteilung Bildungspartnerschaft erklärte bei der Vorstellung des Berichts im Schulbeirat: „Mischklassen haben die rote Laterne bei der Qualität.“ Besuchen Halb- und Ganztagskinder dieselbe Klasse, wird die pädagogisch gewollte Rhythmisierung des Ganztags, also ein Wechsel zwischen Lern-, Spiel-, Ruhe- und Bewegungsphasen, schwieriger. Nur einem Fünftel der Schulen gelingt dies.
Nachholbedarf sieht die Studie auch bei der räumlichen Ausstattung vieler Schulen. So fehle es an Arbeits- und Rückzugsorten für Lehrer, aber auch an Räumen, um Inklusion umzusetzen. Es soll aber nicht bei der Bestandsaufnahme bleiben. Die Ergebnisse werden mit jeder Schule besprochen. „Wir werden Anfang 2019 Handlungsempfehlungen vorstellen“, so Hufnagel. „Uns geht es darum, Schulen zu unterstützen, qualitativ besser zu werden.“ Im Schulbeirat wurde die Studie einmütig gelobt.
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