Daimler stellt mit einer zweiten Pkw-Fabrik in Ungarn die Weichen auf Wachstum. Mit einer sehr flexiblen Produktion will der Autobauer schnell auf die Entwicklung der Nachfrage reagieren können.

Stuttgart - Der Autokonzern Daimler will bis zum Ende des Jahrzehnts eine zweite Pkw-Fabrik in Ungarn bauen, um seine Kapazitäten zu erweitern. „Wir planen, in den nächsten Jahren rund eine Milliarde Euro in das neue Werk am Standort Kecskemet zu investieren“, sagte Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer. In dem bestehenden Werk werden seit 2012 Wagen der Kompaktklasse hergestellt. Die Fertigung ist Zug um Zug ausgeweitet worden. Als erstes Modell lief dort die B-Klasse vom Band, die auch in Rastatt produziert wird; später kamen das viertürige Coupe CLA und die Kombi-Variante CLA Shooting Brake hinzu, die beide ausschließlich in Ungarn produziert werden. Erst im vergangenen April hat Daimler angekündigt, dort 580 Millionen zu investieren, um die Kapazität zu erweitern. Im vergangenen Jahr wurden dort 180 000 Autos hergestellt. Insgesamt sind dort bereits mehr als eine halbe Million Wagen produziert worden.

 

Nun kommt ein komplett neues Werk mit Karosseriebau, Lackiererei, Montage und einem Industriepark für Zulieferer hinzu. Zusätzlich zu den bisherigen 4000 Arbeitsplätzen sollen an diesem Standort rund 2500 Stellen geschaffen werden. Weitere Jobs sollen bei Zulieferern in der Region und auch in deutschen Daimler-Werken entstehen, die beispielsweise Motoren, Getriebe oder Karosserieteile produzieren.

In der neuen Fabrik können sehr unterschiedliche Modelle produziert werden

Während sich das bestehende ungarische Werk auf kompakte Fahrzeuge mit Frontantrieb konzentriert, soll die neue Fabrik sehr flexibel ausgelegt werden und auch größere Modelle mit Heckantrieb herstellen. Ein Unternehmenssprecher wollte sich noch nicht dazu äußern, ob es sich dabei um Baureihen handelt, die bereits an anderen Standorten vom Band laufen oder ganz neue Modelle. Im Zuge der Wachstumsstrategie hat Daimler das Angebot bereits in den vergangenen Jahren erheblich aufgefächert. Derzeit bietet der Autobauer 32 Modelle an, in naher Zukunft sollen es rund 40 Modelle sein. Zudem sollen alle Baureihen Schritt für Schritt auch mit Elektroantrieb angeboten werden. Damit will Mercedes-Benz spätestens zum Ende des Jahrzehnts zum weltweit absatzstärksten Premiumhersteller vor BMW und Audi aufsteigen. Dieses Ziel könnte indes bereits im laufenden Jahr erreicht werden. In den vergangenen Jahren ist der Autobauer mehrfach von der starken Nachfrage neuer Modelle überrascht worden. Deshalb wird die A-Klasse seit einigen Jahren nicht nur in Rastatt, sondern auch beim Auftragsfertiger Valmet in Finnland produziert. Vom nächsten Jahr an wird dort auch zusätzlich zu Bremen der Geländewagen GLC (der Nachfolger des GLK) hergestellt.

Mit der Fertigung von sehr unterschiedlichen Fahrzeugen mit Front- und Heckantrieb in der gleichen Fabrik beschreitet der Stuttgarter Autobauer neue Wege. Daimler spricht von einer „wandelbaren Fabrik“. Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit laut Produktionschef Schäfer gestärkt, weil das Unternehmen schnell auf die Anforderungen der Märkte reagieren könne. Möglich werden soll diese große Flexibilität durch vernetzte digitale Produktionssysteme und eine neuartige enge Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und kompakten Robotern, die unter dem Stichwort Industrie 4.0 zusammengefasst werden. Daimler entwickelt solche Zukunftstechnik in einer Ideenschmiede in Sindelfingen und hat auch bereits erste Pilotprojekte an deutschen Standorten getestet. Zur konkreten Ausgestaltung der Produktion in der neuen Fabrik wollte sich ein Sprecher des Unternehmens noch nicht äußern. Er wies darauf hin, dass derzeit in diesem Bereich viel geforscht und entwickelt werde.

Die ungarische Regierung lockt mit Fördermitteln

Auch zur Höhe der erwarteten Subventionen wollte sich der Unternehmenssprecher nicht äußern. Die Gespräche sind noch nicht abgeschlossen. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters lockt die ungarische Regierung mit Fördermitteln über rund 41 Millionen Euro.

In den deutschen Daimler-Werken soll in den kommenden Jahren ebenfalls kräftig investiert werden. Das Unternehmen hat mit dem Betriebsrat Vereinbarungen zur Entwicklung der einzelnen Standorte in den kommenden Jahren abgeschlossen. In diesem Zuge wurden insgesamt Investitionen von mehr als neun Milliarden Euro zugesagt. Damit sei sichergestellt worden, dass die Bedeutung und Kompetenz der deutschen Standorte auch in einem künftig erweiterten Produktionsnetzwerk erhalten bleibe, erklärte Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht. Dessen Flexibilität erhöhe auch für die bestehenden Werke die Chancen auf eine gute Auslastung. „Unser zentrales Anliegen ist, dass die deutschen Standorte am Wachstum teilhaben und auf die Elektromobilität vorbereitet werden“, sagte Brecht. Auf dieser Basis sei die Beschäftigung auf lange Sicht hin gesichert.