Das strikte Tempolimit auf Autobahnen in der Schweiz gehört seit Jahren zum eidgenössischen Verkehrskonzept. Die Zahl der Toten auf den Straßen sinkt kontinuierlich.

Korrospondenten: Jan Dirk Herbermann (jdh)

Zürich - Der 53-Jährige steuert seinen VW Passat auf der Schweizer Autobahn 3 Richtung Zürich. Es ist vier Uhr morgens. Schneetreiben. Wie aus dem Nichts tauchen zwei Pferde auf. Das Auto kracht in die Tiere. Der Lenker stirbt, die Pferde auch. Sie waren aus dem Stall ausgebüxt. Der tragische Unfall Anfang Februar 2019 schreckte viele Eidgenossen auf und demonstriert: Tödliche Risiken lauern jederzeit auf der Straße. Insgesamt aber zeichnen sich helvetische Fahrwege durch eine stetig sinkende Bedrohung aus.

 

Schweiz schneidet weit besser ab als Deutschland

Kamen 1970, bei wesentlich weniger Fahrzeugen als heute, rund 1750 Menschen im Schweizer Straßenverkehr ums Leben, so waren es 2017 nur noch 230. Im ersten Halbjahr 2018 sank die Zahl der Toten auf 100. „Dies entspricht dem zweittiefsten Stand seit Bestehen der halbjährlichen Verkehrsunfallstatistik“, heißt es aus dem Schweizer Bundesamt für Straßen. Auch im internationalen Vergleich der Verkehrssicherheit landet Helvetien auf den vorderen Plätzen, weit besser als Deutschland.

Bußgeld kann sechsstellig ausfallen

Wie haben die Schweizer die Gefahren auf ihren Straßen zurückgedrängt? „Aufgrund ihres Wohlstandes hat die Schweiz gegenüber anderen Ländern gewisse Vorteile“, erklärt Roland Allenbach, Leiter Forschung der Beratungsstelle für Unfallverhütung in Bern, unserer Zeitung. Die Straßen zwischen Bodensee und Genfer See seien allgemein in einem „sehr guten Zustand“, die Fahrzeuge seien neuer und damit oft sicherer als diejenigen jenseits der Grenzen. Rigoros ahnden die Eidgenossen das Schnellfahren. Die Höhe des Bußgeldes kann sechsstellige Höhe erreichen. So berichteten Schweizer Medien von einem Bußgeld von 299 000 Schweizer Franken, das ein St. Galler Gericht gegen einen Millionär und mehrfachen Verkehrsrowdy verhängt hatte. Er war unter anderem innerorts mit 90 Kilometern pro Stunde geblitzt worden. Der Mann focht das Urteil an.

Der Führerschein ist schnell weg

Es gelten Höchstgeschwindigkeiten von 50 Kilometern pro Stunde innerorts, 80 außerhalb der Orte und 120 auf Autobahnen. Auf etlichen riskanten Asphaltabschnitten sind deutlich geringere Höchstgeschwindigkeiten vorgeschrieben. Tempoüberschreitungen ab 25 Kilometer pro Stunde innerorts, ab 30 außerhalb der Orte und ab 35 auf der Autobahn werden schon im Strafregister eingetragen, der Führerschein ist für mindestens drei Monate abzugeben.

Als Raser gilt, wer mit exzessivem Tempo unterwegs ist, etwa innerorts mit mehr als 100 Kilometern pro Stunde. Wer rast, waghalsig überholt oder bei einem nicht bewilligten Rennen mitmacht, muss mit einer Freiheitsstrafe von bis zu vier Jahren rechnen, das Fahrzeug kann eingezogen werden. Angesichts der engmaschigen Tempokontrollen empfiehlt es sich nicht, das Gaspedal durchzudrücken. Auch kennen Polizei und Justiz kein Pardon, wenn ein Fahrer zu tief ins Glas schaut. Der Grenzwert für Blutalkohol liegt bei 0,5 Promille. Busfahrer und andere professionelle Lenker dürfen überhaupt nicht unter Alkoholeinfluss stehen. Wer angetrunken ertappt wird, muss mit saftigen Geldbußen und -strafen rechnen und kann bis zu drei Jahre im Gefängnis landen.

Weniger Unfälle im Kreisverkehr

Daneben setzen die Eidgenossen auf „verkehrstechnische Optimierungen“ wie Kreisel, in denen sich weniger Unfälle ereignen als auf Kreuzungen. Motorfahrzeuge müssen auch tagsüber mit eingeschaltetem Licht unterwegs sein. Zudem gilt die Ausbildung in den Schweizer Fahrschulen als vorbildlich, und Senioren über 75 Jahren müssen alle zwei Jahre zur verkehrsmedizinischen Kontrolluntersuchung.

Letztlich dürfte sich auch das Fehlen einer eigenen helvetischen Kraftfahrzeugindustrie auswirken: Ohne mächtige Konzerne verfügt die Autolobby in der Schweiz nicht über die Durchschlagskraft wie die in Deutschland. Gegen die Tempolimits, zumal auf den Autobahnen, regt sich in der Eidgenossenschaft kein Widerstand.