Borkenkäfer verursachen Millionenschäden. Ein Förster aus Immendingen geht in der Bekämpfung des Schädlings neue Wege. Eine Hauptrolle spielt dabei der Eurasier-Hund Larry.

Der Unterschied könnte in einem Wald bei Immendingen im Landkreis Tuttlingen nicht größer sein: Hier der Eurasier-Hund Larry, der ein bisschen an einen Husky erinnert. Dort, wenige Meter entfernt, eine ganze Kolonie von rund ein Zentimeter großen Borkenkäfern. Während Letztere unerwünscht sind und im Verborgenen arbeiten, wird Larry gleich an der Schleppleine von Frauchen Christine Hähl mit dem Segen von Förster Martin Schrenk seine Arbeit aufnehmen und den unerwünschten Gästen den Garaus machen: Christine Hähl gehört mit ihrem Hund Larry zu einer Gruppe von acht Hundehalterinnen und -haltern, die im Landkreis Tuttlingen bereits im zweiten Jahr auf Borkenkäfer-Jagd gehen.

 

Der Sommerabend ist schön, man könnte meinen, die Frauen und Männer kämen mit ihren Tieren zum Waldbaden zu Martin Schrenk, der den 1600 Hektar umfassenden Gemeindewald in Immendingen betreut. Doch dem Förster ist nicht danach: Er hat einen Hilferuf an die Borkenkäferspürgruppe abgesetzt. Eine rund 60 Jahre alte Fichte hat Martin Schrenk schon mit einem roten Kreuz markiert. Will heißen: Dieser Baum ist von Borkenkäfern befallen, einem der gefährlichsten Schädlinge in der Forstwirtschaft. Er muss so schnell wie möglich gefällt werden. Wie ist es um die Bäume in seiner Nähe bestellt? Haben sich die Käfer auch schon dort eingenistet? Zerstören sie die lebensnotwendigen Leitungsbahnen für die im Wasser gelösten Nährstoffe, sodass sie absterben werden? Der befallene Baum gilt als Ausgangspunkt für die Suche der Spürhunde. „Würde man einen Baum fällen, ohne sicher zu wissen, dass er vom Käfer befallen ist, wäre es unsinnig, zumal die Holzpreise derzeit am Boden liegen“, sagt Martin Schrenk.

„Wir Menschen bräuchten viel, viel länger.“

Die Hunde sind aufgeregt, wedeln mit dem Schwanz. Gleich bekommen sie die Arbeitsgeschirre mit der Aufschrift „Suchhund“ übergestreift. Für die Tiere das Signal: Die Jagd auf die Borkenkäfer, von denen es 150 verschiedene Arten in Europa gibt, ist eröffnet. Steigt die Temperatur auf mehr als 16 Grad, schwärmen die Käfermännchen aus und geben Pheromone ab. Die sollen die Borkenkäferweibchen zur anschließenden Brut in der Rammelkammer anlocken. Genau diese Pheromone suchen die tierischen Schnüffler. Während die menschliche Nase nur rund fünf Millionen Riechzellen hat, haben Hunde bis zu 220 Millionen. „Abgesehen davon, dass wir Menschen den Befall erst sehr viel später sehen, ist es auch der Zeitfaktor, der eine wichtige Rolle spielt“, sagt Förster Schrenk. „Wir Menschen bräuchten viel, viel länger, um die Bäume zu entdecken und zu markieren. Und dann könnte es wirklich zu spät sein.“

Duke kann es kaum erwarten, auf Borkenkäferjagd zu gehen. Kurz bekommt er ein Glas mit dem Geruch von Pheromonen unter die Nase gehalten, dann weiß der Mischling, wonach er suchen soll. Dann läuft Duke an der langen Laufleine los, sein Frauchen Martina Boesch hat ihm die Richtung vorgegeben. Baum um Baum schnüffelt der Mischling ab. Ist einer befallen, macht Duke Männchen, kratzt mit seinen Pfoten am Stamm und blickt sein Frauchen an. Zur Belohnung gibt’s für Duke ein Leckerli, dann arbeitet der Spürhund weiter. Gruppenleiterin Carmen Grosser sprüht einen orangefarbenen Strich auf die vom Hund angezeigten Stellen. Dabei reicht dem Tier schon der Geruch von ein paar Körnchen Käferbohrmehl aus dem Baum, damit es anschlägt – der Mensch würde sie nicht einmal sehen. 15 Minuten arbeitet Duke auf Hochtouren – dann hat er Pause.

Die Ausbildung kostet 2000 Euro

Jetzt kommt Larry dran. Der Eurasier legt seine Pfote auf den Stamm von befallenen Bäumen und sucht dann den Blickkontakt zu seinem Frauchen. Carmen Grosser ist derweil unablässig mit Kennzeichnen beschäftigt. Die meisten Bäume bekommen jetzt einen zweiten Strich – sie sind Todeskandidaten.

„Tiere, die zu Suchhunden ausgebildet werden sollen, müssen Spaß an der Suche haben“, erläutert Martin Schrenk. „Dann arbeiten sie hoch effektiv.“ Die Hunde-Ausbildung beginnt mit der Suche nach einem noch sichtbar im Holz versteckten Teebeutel. In der nächsten Stufe ist der versteckte Teebeutel nicht mehr sichtbar, dann muss der Hund einen versteckten Fetzen des Teebeutels suchen. Morgens sucht das Tier nach einer entsprechenden Schnupperprobe aus dem Glas den Duft von Kamille, abends Pfefferminze. Als nächstes lernen die Hunde das Anzeigen. Dabei sollten sie den kranken Baum zumindest mit der Pfote berühren – oder ihn, wie es Dackel Beppo macht, anbellen. 2000 Euro kostet die Ausbildung pro Tier.

Die Konstanzer Hundetrainerin Anja Wedig, die bei dem durchs Fernsehen bekannten Hundetrainer Martin Rütter ein Studium absolviert hat, hat Förster Schreck auf die Idee gebracht, Hunde Borkenkäfer suchen zu lassen. In Konstanz und im Klettgau leitete Anja Wedig das Zentrum für Suchhunde. Die Hunde-Fachfrau hatte in Immendingen ein Schnuppertraining angeboten, Martin Schrenk nahm mit seinem Labrador Jango teil – wie sein Kollege Markus Ostermann mit seinem Hirtenhund-Mischling Mina. Martin Schrenk war beeindruckt, beschloss, selbst Hunde einzusetzen.

In Deutschland mussten 2012 fünf Millionen Kubikmeter Schadholz geschlagen werden mussten. Rund 20 Prozent gingen auf das Konto von Insekten. 2022 wurden laut Statistischem Bundesamt rund 45 Millionen Kubikmeter Schadholz geschlagen. Auf Schäden durch Insekten wie den Borkenkäfer gingen mehr als 80 Prozent davon zurück. Der Deutsche Forstwirtschaftsrat bezifferte die in den Jahren 2019, 2020 und 2021 durch Dürre und Borkenkäferbefall entstandenen Schäden auf 12,5 Milliarden Euro. Auch in diesem Jahr rechnen Waldbesitzer mit weiteren Milliardenschäden.

Förster Schrenk ist froh über die Hilfe

Denn: Sind es anfangs noch kranke Bäume, die die Borkenkäfer befallen, bohren sie sich bei Massenaufkommen auch in gesunde Bäume. Bis zu vier Populationen pro Jahr gibt es derzeit aufgrund der milden Winter und der langen heißen Sommer. Insbesondere während der Käfer-Schwärmzeit müssen die Bäume regelmäßig kontrolliert werden.

Förster Schrenk ist froh über seine zweibeinigen und vierbeinigen Helfer, die ihn ehrenamtlich derzeit einmal pro Woche unterstützen. „Auf meine tierischen Spürnasen ist Verlass. Die Zusammenarbeit mit der Gruppe“, lobt er, „könnte nicht besser sein.“